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Stern ohne Himmel

Stern ohne Himmel

Titel: Stern ohne Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Ossowski
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starrten ihn an.
    »Wer ist das?«, fragte Nagold.
    Er hatte erwartet, Dressler hier oben vorzufinden.
    Antek stellte sich neben Abiram.
    »Er ist von der Straße. Wir haben ihn in unserem Keller gefunden. Er hat keine Eltern mehr.«
    »Dann muss er in ein Sammellager, wie andere auch. Ist das ein Grund, ihn hier auf dem Dachboden zu verstecken?«
    »Nein«, sagte Antek gedehnt, »aber wir müssen ihn verstecken, weil Jähde und Willi hinter ihm her sind.«
    Nagold verstand immer weniger, er spürte den Ärger in sich aufsteigen. »Ihr übertreibt die Geschichte etwas, Kinder. Warum sollen Herr Jähde und ausgerechnet Willi hinter einem Flüchtlingsjungen her sein?«
    Die Jungen sahen sich an. Abiram wich bis an die Balken zurück. Jetzt musste es gesagt werden. Antek griff in die Tasche. Ohne ein Wort zu sagen, hielt er Nagold den Davidstern entgegen.
    »Heißt er Abiram?«, fragte Nagold, den Blick auf Anteks Hand gerichtet.
    »Ja«, sagte Antek, »und Willi kennt ihn. Er hat Jähde alles erzählt. Kimmich wollte Abiram helfen, aber Abiram ist fortgelaufen, weil er Angst vor ihm hatte.«
    »So«, unterbrach Nagold schnell, »Kimmich wollte helfen. Warum seid ihr denn nicht zu dem gegangen? Der kennt sich in solchen Situationen viel besser aus. Warum seid ihr zu mir gekommen? Was kann ich denn tun?« Nagold sprach schnell. »Kimmich ist der bessere Mann für eure Rettungsversuche!«
    »Wir kommen ohne Sie hier nicht raus«, sagte Antek. »Wir brauchen Sie und wir verlassen uns auf Sie. Kimmich kann erst wieder helfen, wenn wir Abiram aus dem Alumnat gebracht haben!«
    Nagold drehte sich um. Hatte er sich für Führer und Vaterland zum Krüppel schießen lassen, um für einen Judenjungen zu sterben? Wenn Jähde merkte, dass er mit dahinter steckte, musste er mit einem Standgericht rechnen.
    »Wie hängt euer Abiram mit Dressler zusammen?«
    Antek sagte es ihm.
    »Wisst ihr, dass Dressler ein Kommunist ist, gegen den ein Haftbefehl läuft?«
    »Das ist doch jetzt egal!«, antwortete Paule.
    »Egal? Nein, mein Junge, egal ist das nicht. Jähde vermutet, dass Dressler, Kimmich und Abiram Spione sind!«
    »Aber wir müssen hier raus, sonst ist er verloren. Verstehen Sie das nicht?«
    Antek spürte das Zögern in Nagold.
    »Ja, ich verstehe.« Nagold wusste plötzlich, dass es am besten war, gar nichts zu tun.
    »Ich habe nichts gesehen und nichts gehört. Das mag dem Juden helfen. Und ihr«, er sah Antek und Paule an, »ihr seht zu, dass ihr so schnell wie möglich in euren Schlafraum kommt.«
    Nagold sah sich nicht um, fragte nicht, ob die Jungen seinem Rat folgten, und es interessierte ihn nicht, wie der Jude fortkommen sollte. Er schlurfte durch den Staub dem Ausgang zu. Die Jungen waren allein.
    »Ja«, sagte Abiram und versuchte ein Lächeln. »Dann werde ich eben gehen.«
    »Wohin denn?«
    »Ich weiß nicht, Antek. Es ist letzten Endes egal, wo man erwischt wird. Ich bin nun mal ein Jude. Unter euch hatte ich es vergessen!«
    Er gab Antek die Hand.
    »Leb wohl!«
    Antek übersah die Hand. »Du gehst nicht!«
    »Doch, ich gehe.«
    »Dann kommen wir mit!«, sagte Paule plötzlich.
    »Nein, Paule. Einen Juden lässt man laufen, das hat auch euer Lehrer gesagt.«
    Antek klopfte sich den Staub von der Hose.
    »Den Abiram lassen wir nicht allein, der gehört zu uns!«
    Sie krochen aus ihrem Versteck, nahmen Abiram zwischen sich, gingen über den Dachboden und stießen die Tür auf. Sie stiegen die Treppen hinunter bis zum Portal des Alumnates, sahen weder rechts noch links und kümmerten sich nicht darum, wer sie beobachtete oder verfolgte.

Frau Nagold umkreiste aufgeregt ihren Mann, der mit weit ausgestreckter Prothese in der Küche auf einem Hocker saß.
    »Ein Jude im Haus!«, schluchzte sie in Angst. »Das ist so gut wie ein Todesurteil!«
    »Die Jungen hofften, dass ich ihren Juden in Sicherheit brächte«, sagte Nagold.
    Frau Nagold kniete vor ihm nieder. »Jähde hat doch gestern nach diesem Abiram gefragt, nicht?«
    »Ja, er verdächtigte mich.«
    Ihre Hände umklammerten ihn. »Das bedeutet …«
    Nagold nickte.
    »Du musst den Juden anzeigen!«, flüsterte sie.
    »Er ist ein Kind!«
    »Ach, ein Kind«, Frau Nagold sprang auf. »Haben wir diese Gesetze gemacht, nach denen wir leben müssen?«
    Nagold rührte sich nicht.
    »Sag doch endlich was. Du sitzt da, als ob dich das alles nichts anginge!«
    Die Angst machte sie böse. »Es muss etwas geschehen, oder willst du warten, bis Herr Jähde dich verhaften

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