Sternchenhimmel
Abbott sackte in sich zusammen.
»Wie ist das passiert?«
»Ein Leguan hat mich angegriffen.« Der Fotograf konnte nicht die Wahrheit sagen, weil in Florida alles medizinische Personal gesetzlich verpflichtet war, jede Schusswunde der Polizei zu melden.
»Das ist ziemlich ungewöhnlich«, meinte der Assistenzarzt. »Er ist einfach auf Sie losgerannt und hat Sie ohne jeden Grund gebissen?«
»Na ja, es war ein verdammt großer Leguan.« Bang Abbott bedachte Ann nach Bestätigung heischend mit einen scharfen Blick.
»Können die Tollwut übertragen?«, fragte sie. »Der hatte nämlich Schaum vor dem Maul.«
»Ich weiß es nicht genau«, sagte der Assistenzarzt, »aber ich kann online nachsehen.« Er deponierte das durchweichte Papierknäuel, das Bang Abbotts Fingerstummel enthielt, in einer roten Mülltonne mit der Aufschrift BIOLOGISCH GEFÄHRLICHE ABFÄLLE .
Mit einem wütenden Blick in Anns Richtung knurrte der Fotograf: »Leguane kriegen keine Tollwut.«
Um sie auf Linie zu bringen, deutete er auf die Kameratasche, die über seiner linken Schulter hing. Da drin hatte er die Pistole.
»Liebling, du solltest dir Spritzen dagegen geben lassen«, fuhr sie zuckersüß fort. »Nur für alle Fälle. Ich weiß, die tun schrecklich weh, aber trotzdem …«
»Lass uns die Zeit des Mannes nicht verschwenden«, gab Bang Abbott zurück. Dann sagte er zu dem Assistenzarzt: »Flicken Sie einfach meine verdammte Flosse zusammen, okay?«
Zurück im Hotel, fesselte er Ann an ein Bein des Bettes und hockte sich mit seiner Nikon hin, um zu üben, den Auslöser mit dem Mittelfinger zu betätigen. Es war schwierig, das Gewicht der Kamera fühlte sich in seinem dick gepolsterten neuen Griff schlecht ausbalanciert an. Der Typ in der Klinik hatte nicht mit Mull und Pflaster gespart.
»Sie sind aufgeregt, wegen morgen«, meinte Ann. »Das merke ich.«
»Nein, ich hab Schmerzen.« Er hielt seine verbundene Pranke hoch. »Sie haben mich angeschossen, schon vergessen?«
»Das war ein Versehen, Claude. Ich hab doch gesagt, dass es mir leidtut.«
»Halten Sie einfach die Klappe.«
»Ich bin hier diejenige, die sauer sein sollte, nach all den beschissenen Nummern, die Sie abgezogen haben.«
Bang Abbott antwortete nicht. Er versuchte, eine Lampe zu fotografieren.
»Sie haben Glück, dass ich Ihnen nicht in die Eier geschossen habe«, sagte sie.
Das war keine sehr besonnene Art und Weise, mit einem bewaffneten und psychisch instabilen Individuum zu reden, doch Ann war wütend und hungrig, und sie brauchte dringend ein Bad. »Ich kann’s gar nicht abwarten bis morgen«, sagte sie.
»Ich auch nicht.«
»Oh doch, das können Sie. Sie haben Angst.«
»Ist wohl eher Vorfreude.« Der Fotograf wackelte mit seinem ungeprüften Mittelfinger. »Das wird gehen. Es muss gehen.«
In Wahrheit fürchtete sich Ann selbst ein wenig vor dem Treffen auf Star Island. Würde er sie wirklich einfach gehen lassen, frei wie ein Vogel, nachdem Cherry aufgekreuzt war? Wie konnte er sicher sein, dass sie nicht auf kürzestem Weg zur Polizei rennen würde?
Cherrys Leute werden gut für Sie sorgen. Das hatte Claude gesagt. Demnach würde man ihr Geld anbieten, was auch nur fair war – gekidnappt zu werden gehörte definitiv nicht zur Stellenbeschreibung. Ann beabsichtigte, dieses Thema und andere Janet Bunterman gegenüber anzusprechen.
»Sie haben gesagt, die schicken ein Auto für mich?«
»Stimmt«, brummte Bang Abbott.
»Und wo soll mich das hinbringen?«
Er blickte von seiner Kamera auf. »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Zurück ins Stefano vermutlich.«
»Und wenn mir das Setai lieber wäre?«, sagte Ann.
»Süße, es ist mir scheißegal, ob Sie in einem Motel 6 landen. Ich versuche hier zu arbeiten, also halten Sie den Rand, sonst muss ich Sie knebeln.«
»Bei Ihnen vergeht mir sowieso schon alles, Claude, auch das Reden.«
Ann wusste, dass sie ihren Agenten würde anrufen müssen, wenn das hier vorbei war. Monate waren vergangen, seit sie und Marcus das letzte Mal miteinander gesprochen hatten. Sein letztes Superangebot war ein Gig als Beinmodel gewesen, ein Werbespot für ein Enthaarungswachs aus jamaikanischer Mangorinde. Ann hatte abgelehnt. Marcus würde wahrscheinlich fünfzehn Prozent dessen verlangen, was die Buntermans ihr zahlten, doch nach Anns Ansicht war das Schmerzensgeld und deshalb von seinen Kommissionsansprüchen ausgenommen. Sie, nicht Marcus der Sockenlose in seinen Bally-Slippern, war diejenige, die gefangen
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