Sternchenhimmel
»Schatz, das wird anders als die anderen Fotosessions, die du gemacht hast. Der Mann ist ein bisschen exzentrisch – er besteht auf absoluter Kontrolle.«
»Aber er ist brillant«, setzte einer der Zwillinge hinzu.
»Claude?« Cherry machte ein säuerliches Gesicht. »Gerochen hat er aber nicht gerade brillant . «
»Außerdem ist er ein Riesenfan von dir«, meinte die andere Lark-Schwester.
»Stimmt. Der hat voll jeden Song gekannt, den ich je gemacht habe.«
Maury Lykes sah erfreut aus. »Dann sind wir uns ja einig, oder?«
»Und wann kann ich dann ins Seaquarium?« Cherry kratzte sich unter einem Arm.
»Ein andermal«, antwortete ihre Mutter.
»Aber ich brauche ein neuen String, okay? Für unser ›Rettet die Wale‹-Video.«
»Natürlich, Schatz.«
»Weil, früher wollte ich immer gern als Wal zurückkommen, wenn ich mal sterbe. Aber jetzt nicht mehr, weil, irgendwie will ich ja nicht so eine Harpune abkriegen.«
Cherry missdeutete das völlige Schweigen im Raum als Empathie.
Chemo hustete scharf. »Ich hab da mal eine Frage«, sagte er und sah Ned Bunterman an.
»Ja?«
»In all den Jahren, haben Sie sie da nie testen lassen? Verdammt, wenn das mein Gör wäre …«
»Das reicht«, ging Maury Lykes dazwischen.
»Worauf denn testen?«, fragte Cherry.
Ned Bunterman empfand es als seine väterliche Pflicht, dem Bodyguard zu sagen, dass er alles andere als komisch sei. Die Antwort des Mannes bestand aus einem hämischen Grinsen, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Meint er HIV ?«, wollte Cherry wissen.
»Nein.«
»Weil, da bin ich nämlich schon krass oft drauf getestet worden.«
Chemo quetschte eine entzündete Zyste an seinem Unterkiefer. »Ich hab einen Test gemeint, der zeigt, ob man geistig zurückgeblieben ist oder nicht.«
Maury Lykes gab das Zeichen zum Aufbruch. »In fünf Minuten habe ich eine Besprechung mit diesen Hirnis von Ticketmaster.« Und dann, an Chemo gewandt: »Wir beide unterhalten uns später.«
»Darauf können Sie verdammt noch mal Gift nehmen.«
Die Zusammenkunft löste sich auf, und Ned Bunterman rollte seinen Koffer den Flur hinunter zu seinem Zimmer. Es hatte eine Terrasse mit Blick auf den Ozean, aber es war der falsche Ozean.
Anstatt auszupacken, schenkte er sich einen Drink ein.
20
Es war lange her, dass er genau diesen Robert-De-Niro-Film gesehen hatte – oder überhaupt irgendeinen Film –, doch der Gouverneur verstand den Zusammenhang, als der Tourist ihn »Travis Bickle« nannte. Das geschah, während er in dem gestohlenen Taxi in der Nähe des Marriott wartete, nachdem er den Mann höflich davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass er nicht im Dienst sei und ihn nicht zu dem Basketballspiel fahren könne. Die Miami Heat spielten gegen die New Jersey Nets.
Der Tourist, ein Arschloch mittleren Alters in künstlich gealterter Lederjacke, hatte sich zu seiner Begleiterin umgedreht und gesagt: »Travis Bickle hier sagt, er ist nicht im Dienst.«
»Tut mir leid«, hatte Skink gesagt.
»Das sind echt die beschissensten Haarimplantate, die ich je gesehen habe. Sie sollten die Typen verklagen.«
»Ich hab’s mir anders überlegt. Steigen Sie ein.«
Skink nahm den Julia Tuttle Causeway in Richtung Festland. Der Mann arbeitete für eine Fluglinie mit Hauptsitz in Newark – er beaufsichtigte die Nachtschicht des Gepäckdienstes; wenn man ihn so reden hörte, ruhte die Last der gesamten freien Welt auf seinen Schultern. Seine Freundin arbeitete als Aushilfssekretärin in Brooklyn.
»Wie weit noch?«, fragte sie. »Wir verpassen noch den Anpfiff.«
Der Gouverneur fragte die beiden, ob dies ihre erste Reise nach Miami sei, und achtete nicht auf ihre Antwort. Er war sauer auf sich selbst, weil er einem so leichtfertigen Impuls nachgegeben hatte; er hätte auf seinem Wachposten gegenüber dem Hotel bleiben sollen, für den Fall, dass Annie und der Kidnapper herauskamen.
Doch der Typ in der Lederjacke war so ein Arsch, dass Skink sich genötigt sah, ihm eine Lektion zu erteilen. Es war eine chronische Schwäche: Er konnte nicht fünfe gerade sein lassen. Hatte er noch nie gekonnt. Wieso verschwendest du deine Zeit mit diesen Pennern?, fragte Jim Tile immer. Die Menschen ändern sich nicht, Clint.
Und seine Standardantwort war: Na und? Es fühlt sich richtig an.
»Sind Sie besoffen?«, fragte das Arschloch vom Rücksitz her.
Dies war der Moment, als die Frau feststellte, dass ihr Taxifahrer überhaupt keine Ähnlichkeit mit Mr Henri
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