Sternchenhimmel
dem Badezimmer. »Der Captain war gestern den ganzen Tag lang hier bei mir, Detective. Und auch die beiden Tage davor.« Sie hakte silberne Kreolen in ihre Ohren. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich muss mich anziehen.«
Reilly wusste genau, dass die beiden eigentlich überhaupt nicht mit ihm zu reden brauchten. Er wusste auch, dass er einen der hiesigen Cops rufen könnte, und sie könnten den Einäugigen aufs Revier schleppen und ihm die Hölle heißmachen, weil er keinen Ausweis bei sich hatte oder irgend so etwas Bescheuertes. Der Verbrechensaufklärung würde es nicht dienen, und Reilly würde schließlich noch eine zusätzliche Nacht in der Stadt verbringen, was seinen Lieutenant auf die Palme bringen würde, wenn der seine Spesenabrechnung sah.
»Besitzen Sie eine abgesägte Schrotflinte?«, fragte er den Mann.
»Ich bin kein Jäger im traditionellen Sinne. Ich ziehe es vor zu essen, was bereits tot ist.«
Geduldig wandte der Detective sich Ann zu. »Die Fahrgäste in dem Bus haben gesagt, der Entführer hatte eine Frau dabei. Möglicherweise eine Gefangene.«
Sie lächelte und deutete mit einem Kopfnicken auf ihren Begleiter. »Er ist mein Gefangener. Sieht er in Nadelstreifen nicht einfach umwerfend aus?«
Reilly, der auf Key West schon viele unwahrscheinliche Pärchen gesehen hatte, kommentierte den klaffenden und ein bisschen gruseligen Altersunterschied zwischen den beiden nicht. »Wieso nennt sie Sie ›Captain‹?«, fragte er den Mann.
»Ich war in der Army.«
»Vietnam, stimmt’s? Und Sie sind nach Hause gekommen und zum Gouverneur gewählt worden.«
Der Mann drehte dem Detective den Rücken zu und trat ans Fenster.
Die Frau brachte Reilly zur Tür. »Entschuldigen Sie, dass wir keine größere Hilfe waren«, sagte sie. »Er kann ziemlich frech sein.«
»Sein Name ist Clinton Tyree, nicht wahr? Sie können es mir ruhig sagen.«
»Ehrlich, ich weiß es nicht.«
Reilly bezweifelte, dass der einäugige Mann nach Monroe County zurückgebrettert war, bloß um Jackie Sebago eine Harpune in den Leib zu jagen. Was diese ebenso verschrobene Geschichte auf Key Largo betraf, so hatte Reilly das nicht minder starke Gefühl, dass er den Übeltäter vor sich hatte. Sie könnten eine Gegenüberstellung arrangieren, bloß um den Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch dazu müssten sie Augenzeugen einfliegen lassen, ein budgetsprengendes Risiko, das Reillys Vorgesetzte wahrscheinlich nicht gutheißen würden. Die Fahrgäste des entführten Busses waren über das ganze Land verstreut. Selbst wenn Reilly sie auf die Keys zurückschaffen konnte, der Verdächtige wäre nach seiner Generalüberholung praktisch nicht wiederzuerkennen.
Trotzdem ließ der Detective Ann wissen, dass er möglicherweise noch einmal mit ihnen beiden würde sprechen müssen. »Das wäre dann eine formalere Vernehmung«, fügte er hinzu, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Im Büro des Sheriffs unten in Marathon.«
»Selbstverständlich«, erwiderte sie freundlich und gab ihm eine Handynummer. »Das ist das erste Mal, dass ich jemandes Alibi bin. Ist irgendwie aufregend.«
Reilly nahm die Treppe nach unten; die in die Zöpfe geflochtenen Patronenhülsen klackerten wie Kastagnetten. Er war sich sicher, dass eine DNA -Untersuchung an den silbernen Haaren zu dem Mann zurückführen würde, dem er gerade begegnet war, doch das reichte für ein Strafverfahren wohl kaum aus. In South Florida liefen eine Menge Typen mit schlecht gemachten Rastazöpfen herum. Sein Lieutenant wäre alles andere als beeindruckt.
Eine größere Frage, die Reilly im Kopf herumging, lautete, was damit gewonnen wäre, Tyree einzusperren, wenn der Verdächtige denn wirklich Tyree war. Der Mann hatte seinem Land seine besten Jahre geschenkt, hatte einen ganzen Karton voller Kampfeinsatzorden bekommen – wenn er allein und abgedreht im Land der Krokodile alt werden wollte, wen kümmerte das? Für Unschuldige schien er keine Bedrohung darzustellen, nur für Schurken und Idioten, die seinen Weg kreuzten.
Draußen vor dem Hotel hielt der Detective kurz inne und versuchte, sich zu erinnern, wo in der Collins Avenue er sein Auto geparkt hatte. Er freute sich nicht gerade auf die lange Fahrt nach Süden zu den Keys mitten im Stoßverkehr. Irgendwo pfiff jemand, und er schaute hoch. In Ann DeLusias Fenster stand der Mann, der vielleicht oder vielleicht auch nicht in einem anderen Leben Gouverneur von Florida gewesen war. Er grinste zu Reilly hinunter
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