Sternchenhimmel
geschlafen hatte, war er nicht müde. Das war typisch für Stalker, wenngleich Bang Abbott niemals zugegeben hätte, dass er zu einem Stalker geworden war. Er hatte die Kamera im Wagen gelassen und die Lobby ausgekundschaftet. Dort hatte er den dürren Pagen entdeckt und ihn beiseitegezogen.
»Sie ist hier, Alter! Zimmer 602. Ich hab Sie schon fünf Mal angerufen, wieso verdammt noch mal rufen Sie denn nicht zurück?«, jaulte der Page.
»Jemand hat mir mein verdammtes Handy geklaut«, antwortete Bang Abbott. Und die Nummern von all meinen Informanten, dachte er bitter. Die Kameras konnten ersetzt werden, der Verlust des BlackBerrys jedoch war ein ernsthaftes Ärgernis. Er hoffte nur, dass Cherry Pye das Ding nicht verloren oder weggeschmissen hatte.
»Sie ist gerade oben«, flüsterte der Page. »Ich hab gehört, wie der Portier den Schlüsseldienst angerufen hat.«
»Herrgott noch mal. Ist sie schon wieder breit?«
Der Page sagte, er würde versuchen, es herauszufinden. Bang Abbott gab ihm fünfzig Dollar und die Nummer seines neuen Handys, ebenfalls ein Pfandhausschnäppchen.
»Sag Bescheid, wenn sie sich auf die Socken macht«, wies er ihn an. »Da sind noch mal hundert Mäuse für dich drin – und sag’s auch den anderen Zimmeraffen.« Der Fotograf war am Geldautomaten gewesen und hatte sich ein dickes Bündel Scheine gezogen. »Ich bin nicht weit weg«, setzte er hinzu und deutete die Straße hinunter.
Der Mietwagen war ein kleiner Buick-Kombi. Geräumig war er nicht, schon gar nicht für jemanden von Bang Abbotts Körperumfang. Die Morgenluft war kalt, also fuhr er die Fenster hoch, ließ den Motor laufen und versuchte, nicht an den Sex mit Cherry zu denken. Bald hatte er einen wabbeligen Ständer, mit dem er sich auch diskret befasst hätte, hätte das Lenkrad nicht den frontalen Zugang behindert. Bei solchen Designschwächen ist es ja kein Wunder, dass GM baden geht, dachte Bang Abbott.
Er wuchtete seine schlaffe Körpermasse auf den Beifahrersitz hinüber und kümmerte sich mithilfe eines weggeworfenen Hamburger-Einwickelpapiers um Claude Junior. Doch selbst danach konnte er nicht aufhören, an Cherry zu denken. Warum in aller Welt hatte sie ihn gebumst? Wie die meisten erfolgreichen Paparazzi schlug sich Bang Abbott nur selten mit Selbstwertfragen herum; er wusste um seinen niederen Rang in der sexuellen Hackordnung. Was Cherry mit ihm gemacht hatte, so vergnüglich es auch gewesen sein mochte, verstieß gegen das Gesetz der Natur, als ob ein Schmetterling eine Kakerlake besteigt.
Den meisten Männern mit Bang Abbotts weltlicher Erfahrung wäre klar gewesen, wie sinnlos es war, über die Flugzeugnummer nachzugrübeln; sie hätten die Erinnerung wohlwollend für künftige Sexfantasien abgespeichert. Es zeugte von der zunehmenden Obsession des Fotografen, dass er es schaffte, einen lüstern-bedeutungslosen Beischlaf zu etwas Kalkuliertem, Diabolischem zu machen. Manchmal war er nahe daran, sich selbst davon zu überzeugen, dass Cherry irgendeinen finsteren Plan ausgebrütet hatte und dass sie ihn auf zynische Art und Weise benutzte.
Bang Abbott griff unter den Sitz, um sich zu vergewissern, dass die Pistole noch da war – ein 38er Colt Special mit einem Plastikschulterholster und drei Patronen. Er hatte ihn für achtzig Dollar von demselben aufrechten Geschäftsmann erworben, der ihm die Pentax verkauft hatte. Obwohl er zum ersten Mal eine Schusswaffe in der Hand hielt, war Bang Abbott nicht nervös. Vom mechanischen Aspekt her sah der Colt im Vergleich zu einer Kamera simpel aus, und die grundlegenden Anwendungsprinzipien waren dieselben: Zielen und Abdrücken.
Vorgeblich hatte er sich die Waffe zugelegt, um sich vor Floridas wohlbekannten kriminellen Elementen zu schützen, doch in seinen Tagträumen stellte er sich vor, wie er die Waffe ganz beiläufig in Cherrys Gegenwart zog. Wie unzählige Idioten vor ihm glaubte auch Bang Abbott, dass bestimmte Personen ihn ernster nehmen würden, wenn er eine Waffe trug.
Um halb zehn rief der Page an, um zu melden, dass Cherrys Security-Typ gerade die Hotellobby verließ, und zwar allein. »Wie sieht er aus?«, fragte Bang Abbott.
»Wie ein Scheiß-Ehliän.«
»Wie ein was?«
»Du weißt schon – ein Ehliän. Wie aus ’nem UFO .«
Bang Abbott gluckste. »Kommen dem Antennen aus der Birne oder was?«
»Sie werden schon sehen, Mann. Er kommt genau auf Sie zu.«
Der Fotograf sackte tief in den Buick hinunter und spähte über das Armaturenbrett.
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