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Sternchenhimmel

Sternchenhimmel

Titel: Sternchenhimmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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nach dem nackten Entführer eines Charterbusses entdeckt. Der Gejagte selbst war noch immer ungefährdet auf freiem Fuß und stand zwischen den verdrehten roten Wurzeln eines Mangrovenhains tief im Crocodile Lake National Wildlife Refuge bis zum Kinn im Wasser.
    Aus der Luft war Skink praktisch unsichtbar; sein geschorener Schädel war so braun und unscheinbar wie eine im Wasser treibende Kokosnuss. So konnte er stundenlang in einem Salzsumpf ausharren; seine Gedanken wanderten allmählich in einen meditativen Bereich, der immer sehr nützlich war, wenn er verfolgt wurde. Heute jedoch kehrten sie wieder und wieder zu der jungen Frau namens Annie zurück, die er aus dem Auto gezogen hatte. Annie, die Schauspielerin.
    Sie hatte ihm nicht geglaubt, als er gesagt hatte, er wäre einst Gouverneur von Florida gewesen, doch das hatte er erwartet. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann ihn jemand das letzte Mal als Clinton Tyree erkannt hatte, so viele Jahre waren vergangen, seit er aus Tallahassee und jenen unbarmherzigen Gefilden geflohen war. Das Mysterium seines Verschwindens, das die politische Presse eine Weile schwer beschäftigt hatte, war nicht mehr von breitem Interesse. Dem flüchtigen Gouverneur war das nur recht, als abwegige historische Fußnote war er glücklicher, als er es jemals als Schlagzeile gewesen war.
    Sein ungefährer Aufenthaltsort war nur einem einzigen Menschen bekannt: Jim Tile, einem alten Freund, mit dem Skink per Seefunk oder Handy (wenn er gerade eins hatte) sporadisch Kontakt hielt. Tile, der die Highway Patrol schon lange verlassen hatte und seit kurzem Witwer war, verbrachte seine Zeit damit, die Halbinsel von Florida mit dem Motorrad abzufahren, eine unablässige, einsame Runde von der Panhandle zu den Keys und wieder zurück. Wann immer der Mann, den er immer noch Gouverneur nannte, ihn rief, kam Tile unverzüglich. Er wusste besser als jeder andere, wie schnell das Geschehen außer Kontrolle geraten konnte, wenn bei Skink eine Sicherung durchbrannte. Sein nomadisches Exil war ereignisreich gewesen – einfallsreicher Vandalismus, Schüsse aus dem Hinterhalt, Entführungen, sogar Tötungsdelikte, dessen war sich Tile sicher, obgleich man bei jedem verdächtigen Vorfall kaum behaupten konnte, dass das Opfer es nicht verdient hätte. Als Skink älter wurde, hielt Tile vergeblich nach Zeichen beginnender Altersmilde Ausschau, doch bis jetzt hatte der einzige Akt der Mäßigung des Gouverneurs darin bestanden, seine AK-47 gegen eine abgesägte Remington einzutauschen.
    Tile hatte nur wenige Fragen über Annie gestellt, bevor er eingewilligt hatte, sie ins Krankenhaus zu bringen. Skink ging davon aus, dass ihr nichts fehlte; anderenfalls hätte Jim aus der Notaufnahme angerufen. Trotzdem verspürte er eine dumpfe, bohrende Unruhe, die an väterliche Besorgnis grenzte und die er nicht verstand. Die kleine Annie besaß ein entzückendes Selbstvertrauen, allerdings gehörte das vielleicht zu ihrer Masche. Er war schon früher von Frauen mit sicherem Auftreten an der Nase herumgeführt worden.
    Als es dunkel geworden war, trieb Skink zwischen den Bäumen hervor und stieg triefend wie ein Fischotter auf einer trockenen Landzunge aus dem Wasser. Vorsichtig suchte er sich einen Weg zwischen dichten Ranken hindurch und erreichte sein Lager, das er zu seiner Freude unberührt vorfand. Wie schon zuvor waren die Suchmannschaften nicht so tief in den Sumpf vorgedrungen. Die Anwesenheit von Krokodilen dämpfte ihre Begeisterung immer wieder; und gute Bluthunde waren zu teuer, um sie wegen irgendeines durchgeknallten alten Landstreichers mit einer Schrotflinte aufs Spiel zu setzen.
    Eine Kaltfront zog über die Inseln hinweg, und Skink wusste, dass der Hubschrauber wieder auf dem Landeplatz in Marathon stand. Er machte ein kleines Feuer und marschierte dann zur Straße, in der Hoffnung, etwas zum Abendessen aufzutreiben. Mit einem frischen Waschbären und einer gelben Rattenschlange kam er zurück, beide waren vom selben Wagen überrollt worden. Skink nahm an, dass der Waschbär wahrscheinlich gerade dem Reptil nachgestellt hatte, als er überfahren worden war.
    Er briet das Fleisch mit Pfeffer und Tabasco und spülte es mit drei Bieren hinunter, die er aus dem Kühlschrank des Charterbusses geklaut hatte. Ganz kurz dachte er an Jackie Sebago, diesen Scheißkerl. Ob die Ärzte wohl mitgezählt hatten, wie viele Seeigelstacheln sie aus seinem nekrotischen Hodensack gezogen hatten? Die Fotos waren bestimmt

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