Sternchenhimmel
recht haben?
»Glauben Sie vielleicht, das hier macht mir Spaß?«, fragte sie. Die Erschöpfung war schuld; ganz offenkundig war sie nicht mehr bei klarem Verstand. Großer Gott, sie hatte die verdammte Knarre in der Hand gehabt.
»Wenn Sie so schlau sind, wie ich glaube, dann wird’s nicht lange dauern, bis die Paparazzi hinter Ihnen her sind«, sagte er. »Glauben Sie mir, ich weiß, wie das läuft.«
»Ich will gar nicht berühmt sein«, schniefte Ann, »nicht so.«
»Natürlich nicht. Was für ein grauenvolles Leben. Wer will denn schon reich und schön und begehrt sein?« Er wedelte mit dem Colt in ihre Richtung. »Na schön, ich muss mich jetzt mit jemandem treffen, also seien Sie ein braves Mädchen und steigen Sie in den Kofferraum.«
»Ich denk nicht dran. Da müssen Sie mich schon vorher abknallen.«
»Ach, Herrgott noch mal.«
»Nehmen Sie mich mit. Ich bin auch brav.«
»Wollen Sie was zum Frühstück?«, fragte Bang Abbott.
»Klar. Unbedingt.« Ann war ebenso hungrig wie müde.
Der Fotograf fuhr zu einem schicken neuen McDonald’s, wo Ann einer von zwei Frühstückskunden im Kleinen Schwarzen war. Der andere war ein muskulöser Transvestit mit einer fantafarbenen Perücke. Bang Abbott bestellte drei penetrant riechende Burritos, während Ann einen Egg McMuffin verlangte. Bang Abbott sagte, sie habe exakt vier Minuten Zeit, um auf die Toilette zu gehen; unterdessen zerkrümelte er zwei Schlaftabletten und rührte sie in ihren Orangensaft.
Als sie wieder zurück war, sagte er: »Hören Sie zu, das ist wichtig – wer dreht am meisten ab, wenn er ein paar Tage nichts von Ihnen hört? Haben Sie einen Freund?«
»Nö«, antwortete Ann durch einen damenhaften Mundvoll Egg McMuffin hindurch.
»Mom und Dad?«
Sie schüttelte den Kopf. »Negativ.«
»Sind die beide tot oder so?«
»Sie haben Ihre Berufung verfehlt, Claude. Sie hätten Trauerbegleiter werden sollen«, gab Ann zurück. »Nein, sie sind nicht tot. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, und Mom und ich sind das, was man ›entfremdet‹ nennt. Sie wollte, dass ich Lehrerin werde.«
Der Paparazzo grunzte. Er hatte sich mühelos einen ganzen Burrito in die Backentaschen gestopft.
»Sonntagsschullehrerin«, fügte Ann hinzu. »Ihre Religion betrachtet die Schauspielkunst als heidnischen Unfug. Fernsehen sowieso.«
Bang Abbott wischte sich die Finger an seinem Hemd ab.
»Alles war mehr oder weniger in Ordnung, bis eine der sogenannten Freundinnen meiner Mutter sie angerufen hat, nachdem sie mich in einem Werbespot für Slipeinlagen gesehen hatte«, fuhr Ann fort, »und seit diesem Tag hat die hochanständige Rachel DeLusia nicht mehr mit ihrer missratenen Tochter gesprochen. Ich hätte wohl lieber einen Spot für eine Fertig-teigmischung machen sollen – Mom kann sich Brownies reinziehen bis zum Anschlag.«
»Sie behaupten also, dass niemand Sie vermissen wird, wenn Sie ein Weilchen nicht an Ihr Handy gehen …«
»Das in die Moteltoilette gefallen ist …«
»Was ist mit Ihren Freundinnen?«, fragte Bang Abbott.
»Die haben mich so ziemlich abgeschrieben.«
»Wieso das denn?«
»Weil ich nicht twittere und keine SMS schreibe.«
Der Fotograf zog eine Augenbraue hoch. »Ach, so eine sind Sie . «
»Also lautet die Antwort Nein, niemand wird mich vermissen.«
»Okay, gut.«
»Ja, echt super. Vierundzwanzig Jahre alt, und ich könnte glatt vom Planeten kippen, ohne dass es einer Menschenseele auffällt.« Den durchgeknallten Obdachlosen auf Key Largo, der versprochen hatte zu kommen und sie zu retten, erwähnte sie nicht – ein nobles Angebot, aber mal ehrlich …
»Claude, ich werde gerade unheimlich müde.«
»Trinken Sie Ihren Saft aus«, sagte er.
Sie schnarchte wie ein Bär, als Bang Abbott mit ihr wieder im Parkhaus ankam. Er fuhr zu einem leeren Parkdeck hinauf und stellte den Buick an dessen hinterem Ende ab. Nachdem er Ann in den Kofferraum gepackt hatte, schnaufte er zum Fahrstuhl hinüber, wo er auf der Fahrt nach unten seinen letzten McSkillet verdrückte und das zusammengeknüllte Einwickelpapier auf den Boden schmiss. Das Sonnenlicht knallte ihm ins Gesicht, als er aus dem Parkhaus trat, weswegen er seine brandneue Miami-Marlins-Kappe tief ins Gesicht zog und Kurs auf den Park nahm.
Der Mann namens Chemo wartete bei den Volleyballnetzen. Er trug einen weiten schwarzen Trainingsanzug, dessen einer Ärmel abgeschnitten worden war, und eine farbenfrohe eckige Brille. »Gehen wir ein Stück«, sagte
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