Sternchenhimmel

Vorlieben. Aus der Kassettensammlung schloss Reilly, dass der Bewohner des Lagers eine Schwäche für Hardrock hatte, die bis in die Sechziger zurückreichte; unter seinen Schätzen war eine importierte Raubkopie von einem Jimi-Hendrix–Konzert in der Royal Albert Hall. In dem alten Bücherkoffer fand der Detective tadellos erhaltene Ausgaben von Kurt Vonnegut, Jack London, Ken Kesey, Jim Harrison und John D. MacDonald, jede zum Schutz in durchsichtige Plastikfolie gewickelt. Der einzige unerklärliche Fund war der Vorrat an Glasaugen, die aussahen, als wären sie aus ausgestopften Tieren herausgepult worden.
    Reilly rührte nichts an, bis auf eine leere Wasserflasche, die er in der Hoffnung konfiszierte, Speichel- DNA oder einen Fingerabdruck zu finden. Doch später, als er auf die Polizeihauptwache zurückkehrte, stellte der Detective bei seinen Vorgesetzten einen Mangel an Begeisterung für den merkwürdigen Fall auf North Key Largo fest. Stattdessen wies man ihn an, sich auf eine Einbruchserie in Wohnwagensiedlungen unten in Marathon zu konzentrieren, wo eine Schar dreister Teenager iPods, handgefertigte Haschpfeifen und Angelzeug erbeutet hatte. Ein Neffe des Lieutenants hatte offenbar drei Penn-Hochseeangeln und einen antiken Fischhaken eingebüßt, und der Lieutenant äußerte großes Interesse daran, dass die Täter dingfest gemacht und die wertvollen Besitztümer wiederbeschafft wurden. Koste es, was es wolle, selbst wenn man den kleinen Scheißern dafür die Eier tasern musste.
    Reilly blieb nichts anderes übrig, als die Sebago-Akte zur Seite zu legen, doch er ließ sie auf einer Ecke seines kleinen Metallschreibtischs liegen und dachte unablässig an den Verdächtigen.
    Während er auf eine Reaktion von Cherry Pyes Betreuern auf die »Junkie vor Klo«-Fotos wartete, fiel Bang Abbott wieder ein, dass ihm allmählich das Geld ausging. Ohne sein mandarinfarbenes BlackBerry, das sein enzyklopädisches Quellenverzeichnis enthielt, war der Paparazzo gezwungen, sich auf sein Gedächtnis zu verlassen, was die Telefonnummern von South-Beach-Informanten betraf. Schließlich rief er einen Rausschmeißer aus dem Ortho an, der für ein versprochenes Honorar von fünfzig Dollar lakonisch berichtete, dass eines der neuen Idols sich gerade in der Poolbar mit Tequila volllaufen ließe.
    »Sie meinen, jemand aus American Idol?« , fragte Ann DeLusia Bang Abbott.
    »Nein, aus Bulgarian Idol. Meine Güte.«
    Während er seine Kameratasche bereitmachte, schickte Bang Abbott Peter Cartwill vom Eye eine SMS . Cartwill würde am Samstagabend nicht im Büro sein, aber vielleicht hatte er sein Handy eingeschaltet. Der Mann fuhr auf alles aus American Idol ab, und Abbott ging davon aus, dass ihm ein verlottertes Vollsuff-Foto fünf bis sieben Riesen einbringen konnte, je nachdem, um welchen Kandidaten es sich handelte und wie blau er oder sie war.
    »Kann ich mitkommen?«, fragte Ann.
    »Ich glaub, es hakt!«
    »Seien Sie kein Unmensch, Claude.«
    Bang Abbott dachte nach und änderte seinen Entschluss. Er traute Ann nicht, so ganz allein im Hotelzimmer. Selbst an die Toilette gefesselt, konnte sie immer noch ziemlichen Krach machen. Irgendjemand würde schließlich den Sicherheitsdienst rufen.
    Also führte er sie zu dem Mietwagen hinaus, setzte sie auf den Beifahrersitz und machte einen ihrer sehr hübschen Knöchel mit den Handschellen am Untergestell des Sitzes fest. Sie beklagte sich nicht. Es war besser, als im Kofferraum eingesperrt zu sein. Außerdem wollte sie wissen, wie ihr Entführer arbeitete. Ihn in Aktion zu sehen könnte aufschlussreich sein.
    Auf dem Weg zum Club meinte sie: »Das ist ja wie auf Großwildjagd zu gehen.«
    »Mag sein«, sagte Bang Abbott.
    »Nur dass die Ihnen nichts tun können.«
    »Von wegen. Queen Latifah hat mir mal eine Gehirnerschütterung verpasst.«
    Ann war entzückt. »Wie hat sie das denn gemacht?«
    »Hat mir mit ihrer beschissenen Ferragamo-Tasche eins übergebraten. Sie wissen schon, eine von diesen Riesendingern.«
    »Ja, die sind wie Bowlingtaschen.«
    »Genau!«, pflichtete Bang Abbott ihr bei. »Verklagt habe ich ihren Monsterarsch auch.«
    »Das ist ja nun voll die Weicheinummer.«
    Anns Reaktion überraschte ihn. »Was? Ich hab zwei Tage im Krankenhaus gelegen.«
    »Wie viel Kohle haben Sie von ihr gekriegt?«
    »Das lassen Sie mal schön meine Sorge sein«, gab er mit einem künstlich aufgeblähten Feixen zurück.
    Null Komma nichts hatte ihm die Klage finanziell eingebracht.