Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
für ein Unglück. Niemand wird mehr mit uns Geschäfte machen wollen, wenn die Schwester des Dons zugleich die Geliebte eines Sklaven ist. Man wird auf uns herabsehen, über uns spotten. Wir werden die Achtung der anderen Weißen verlieren. Und auch die Achtung einer ganzen Reihe von Sklaven. Niemand wird uns mehr einladen, auf dem Markt werden unsere Hausmädchen die schlechtesten und verdorbenen Dinge angeboten bekommen. Wir werden bespuckt werden, die Straßenjungen werden uns mit Pferdemist bewerfen. Kein Arzt wird kommen, wenn wir ihn brauchen. Und wenn es eines Tages bei uns brennen sollte, so wird niemand zu Hilfe eilen. Wir werden einsam und allein leben. Wir alle hier auf dem Ingenio. Du kannst für dich entscheiden, dass es dir nichts ausmacht. Aber letztendlich lebst auch du von den Geschäften Hermanns. Letztendlich bist du der Anlass für unser künftiges Unglück.«
Mafalda spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Sie fühlte eine lodernde Wut heiß in sich aufsteigen. »Es geht nicht nur um dich, Titine. Wenn du das glaubst, so bist du naiv. So, wie wir Verantwortung für dich haben, so hast du sie auch für uns. Diese Liebe, dieses Kind, wird unser Untergang sein.« Sie schlug sich leicht auf die Brust. »Hast du bei alldem auch einmal an andere als nur an dich gedacht? Auch ich möchte ein Kind haben, und ich wünsche mir für dieses Kind, dass es wohlbehütet und respektiert aufwächst. Bekommst du dein Kind, so ist meines für ein normales Leben verloren, so sind wir alle für ein normales, ruhiges Leben verloren. Aber, großer Gott, was haben Hermann und ich mit deinen Liebeleien zu tun? Was können wir dafür, dass du einen Bastard zur Welt bringen wirst?«
Mafalda schluchzte und schlug die Hände vor das Gesicht. Zwischen den Fingern hindurch flüsterte sie: »Sei nicht egoistisch, Titine. Denk auch an uns.«
Titine kniff die Augen zusammen und breitete die Hände aus. Ihr Haar sträubte sich vor Zorn und Unverstand. Ganz weiß war ihr Gesicht, nur die Lippen, auf die sie die ganze Zeit gebissen hatte, leuchteten blutrot. »Was habe ich getan?«, rief sie aus. »Ich liebe. Na und? Schuld sind nicht wir, nicht Fela und ich, sondern die anderen, die unsere Liebe nicht mit ansehen können. Die denken, sie wäre ein Unglück oder ein Grund, uns abfällig zu behandeln.« Sie schüttelte energisch den Kopf und blitzte Mafalda so empört an, dass die Ältere ein wenig zurückwich. »Ich denke nicht daran, mein Glück der Dummheit der Leute zu opfern. Sag selbst, was ist schlecht an der Liebe? Warum darfst du lieben und eine achtbare Frau sein und ich nicht? Kannst du mir das erklären? Du liebst seit Jahren, bist glücklich, bist erfüllt, hast Heim und Herd. Warum gestehst du mir nicht dasselbe zu? Du malst Gespenster an die Wand, redest von Einsamkeit. Hast du je einmal an meine Einsamkeit der letzten Jahre gedacht?«
Sie stützte sich auf die Ellbogen und funkelte Mafalda an. »Wage es nicht, irgendetwas in dieser Hinsicht zu unternehmen. Wage es nicht einmal, meinem Bruder davon zu erzählen. Wer meinem Kind etwas tut, hat mich zur Feindin. Zur Todfeindin.«
Viertes Kapitel
H ermann war so wütend, dass er das Pferd zügelte, als die Weiden außer Sicht waren, und erst einmal eine Pause brauchte. Er nahm die Flasche, die das Hausmädchen ihm mit Guarapo gefüllt hatte, und trank sie in einem Zug leer, obwohl er keinen Durst hatte. Fela ging ihm im Kopf herum.
Er hielt ihn für eine Gefahr. Für eine große Gefahr. Am liebsten wäre ihm, der Schwarze würde einfach verschwinden. Titine wäre vielleicht getroffen, sie würde ein bisschen leiden, aber das Leid würde vergehen. Ob er ihn verkaufen sollte? Weit weg? In den Westen auf die Kaffeeplantagen? Oder gleich nach Havanna? Wie viel würde er für den jungen Mann bekommen? In den letzten Jahren war der Preis für die Sklaven stark gestiegen, weil man sie nur noch heimlich auf die Insel schmuggeln konnte. Bekam man vor drei Jahren noch jemanden wie Fela für einen Preis von rund sechshundert Pesos, musste man mittlerweile schon eintausend Peseten auf den Tisch legen. Er würde Gewinn machen, wenn er Fela verkaufte. Aber darum ging es nicht. Wenn es Titines Glück dienlich war, dann würde er Fela auch verschenken. Aber was, wenn sie wieder in ihre Sprachlosigkeit fiel? Und was, wenn die Schwarzen recht hatten und Titine tatsächlich die Tochter der Totengöttin Yewa war? Wenn sie sich einbildete, diesen Schwarzen wahrhaftig zu
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