Sterne im Sand
der Cleo umwarb, die beinahe schon zur Familie gehörte, kamen erstaunlich gut miteinander aus. Die vier jungen Leute aßen jeden Abend zusammen und genossen das Leben ohne die Verhaltensregeln, die ihnen die ältere Generation auferlegt hatte. Die Männer arbeiteten sieben Tage in der Woche, kontrollierten ständig die Herden, prüften die Wasserstellen, zogen kleinere Stacheldrahtzäune, um ihren Besitzanspruch zu unterstreichen, ritten rastlos mit den Viehhütern über den Besitz wie die Hirten in früheren Zeiten, um ihren wertvollen Herden die bestmöglichen Weidebedingungen zu sichern.
Es gab keine Herrenabende mehr, bei denen die Frauen vom Feierabendvergnügen ausgeschlossen gewesen wären. Niemand mußte sich beeilen, um sich fürs Abendessen umzuziehen. Das Leben war einfacher geworden, legerer. Louisa hatte beschlossen, das Speisezimmer nur für besondere Gelegenheiten zu nutzen, und sie nahmen von nun an alle Mahlzeiten im Frühstückszimmer ein, das zudem den Vorteil besaß, kühler zu sein.
Hannah begrüßte die Veränderungen. »Weniger zu tun für die Mädchen. Es ist allein schon eine Menge Arbeit, andauernd diese riesigen Tischtücher zu stärken und zu bügeln.«
Doch Victor empfand trotz der Annehmlichkeiten seines neuen Lebens tiefe Schuldgefühle. Natürlich genoß er es, abends heimzukehren und auf der Veranda von den Mädchen mit kaltem Bier und einem Lächeln auf den Lippen empfangen zu werden, doch ihm war, als habe er sich diese Freuden auf Kosten seines Vaters erkauft. Es schien beinahe, als seien alle erleichtert, daß Austin nicht mehr da war. Dieser Gedanke schmerzte ihn. Wenn er allein durch den Busch ritt, sprach er oft in Gedanken mit seinem Vater und entschuldigte sich für sein Verhalten. Was aber hätte Austin zu der furchtbaren Sache mit Charlotte gesagt? Vermutlich eine ganze Menge. Natürlich trug Harry an allem die Schuld, da er Charlotte überhaupt erst auf diese Idee gebracht hatte. Von selbst wäre es ihr doch nie in den Sinn gekommen, das Testament anzufechten, wenn Harry nicht seine eigenen Interessen im Auge gehabt und mit voller Absicht Zwietracht unter ihnen gesät hätte. Und zu allem Übel hatte er sie auch noch ermutigt, Springfield zu verlassen.
Victor dachte an die heftige Auseinandersetzung vor der Abreise seines Bruders zurück. Er hatte Charlotte angefleht, Springfield nicht so überstürzt zu verlassen, doch sie war eisern geblieben.
»Springfield hat vier Erben, nicht zwei. Bis du gelernt hast, dies zu akzeptieren, gehe ich weg.«
Als Charlotte bei dieser letzten Diskussion in Tränen ausgebrochen war, war Harry eingeschritten. »Victor, um Gottes willen, laß Mutter in Ruhe. Ich verzichte meinetwegen auf meinen Anteil, aber Mutter hat ein Recht darauf. Siehst du das nicht ein?«
Victor hatte ihn daraufhin wütend angebrüllt. »Ich sehe nur, daß du entschlossen bist, diese Familie zu ruinieren. Dabei hast du in Brisbane schon genügend Ärger verursacht. Verlaß dieses Haus, für immer! Du warst nicht willkommen, als Austin noch lebte, und bist es auch jetzt nicht. Wage es nicht, je wieder herzukommen!«
Später, nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, hatte er an Charlotte geschrieben. Er hoffe, daß sie nach einer Zeit der Erholung zurückkehren und zu einen vernünftigen Gespräch bereit sein werde.
Sie hatte auf diesen Brief nicht reagiert – vermutlich auf Anraten Harrys hin – und war nach Brisbane weitergereist, um sich mit ihren Anwälten zu besprechen.
Sechs Wochen später trafen von dort ein Paket mit Märchenbüchern für Teddy und eine kurze Mitteilung seiner Mutter ein – ihr gehe es gut, sie genieße den Aufenthalt in Brisbane und freue sich schon auf ihre Heimkehr. In der Zwischenzeit lasse sie sich juristisch beraten bezüglich ihres Anrechts auf das eigene Land.
Victor saß hinter verschlossener Tür in seinem Büro und zog trübsinnig an seiner Pfeife. Es war spät, im Haus rührte sich nichts, eigentlich die beste Zeit für die Buchhaltung, doch die Sorgen ließen ihm keine Ruhe.
Mittlerweile fürchtete er Charlottes Rückkehr. Er hatte sich nicht dazu überwinden können, Louisa davor zu warnen, allzu viele Veränderungen vorzunehmen. Inzwischen fühlte seine Frau sich als Herrin des Hauses. Sie hatte Möbel umgestellt, die schweren Vorhänge abgenommen, um die Zimmer im Erdgeschoß heller und luftiger zu gestalten. Alles sah anders aus, besser, wie er zugeben mußte, doch was würde Charlotte dazu sagen? Vermutlich
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