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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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schenkte ihm ein zahnloses Grinsen. »Du bist Harry, Boß Brodericks Junge.«
    Erst jetzt erkannte er ihn. »Guter Gott, Moobuluk, du alter Halunke! Ich dachte, du wärst schon seit Jahren bei den Sternen.«
    Moobuluk nickte erfreut. Harry war der einzige Broderick-Sohn, den er persönlich kannte. Von klein an hat er sich ständig bei den Schwarzen herumgetrieben, hatte sogar ihre Sprache erlernt, Wissen über die Erde aufgeschnappt, aber nie die Ehrfurcht bezeugt, die die Stammesleute dem Zauberer entgegenbrachten. Eines Tages hatte er sogar erklärt:
    »Mein Dad meint, du bist ein Medizinmann.«
    Nun glitzerten Moobuluks alte Augen belustigt, als er Harry endlich die Frage stellte, die ihm so lange auf der Zunge gelegen und die er damals aus Stolz nicht gestellt hatte:
    »Was ist eigentlich ein Medizinmann?«
    Harry sah ihn verwirrt an. Dann fiel ihm die alte Geschichte wieder ein, und er sagte lachend: »Was für ein gutes Gedächtnis du hast! Der Boß hat das über dich gesagt. Ein Medizinmann ist ein Zauberer, ein kluger Mann. Sehr klug. Er heilt die Menschen.«
    »Aha.« Die Antwort schien ihn zu erfreuen, doch plötzlich wurde er ernst. »Noch eine Frage. Wo sind unsere Babys?«
    »Welche Babys?«
    Moobuluk streckte die knotigen Hände aus und zählte langsam an seinen Fingern ab: »Bobbo. Doombie. Jagga. Wo sind sie?«
    Harry sah ihn verständnislos an. »Das weiß ich nicht. Sind sie vielleicht mit jemandem auf Wanderschaft gegangen?«
    »Nein.« Moobuluk fiel es schwer, dem weißen Mann einzugestehen, daß er ihr Schicksal selbst nicht genau kannte, daß er seine Pflichten gegenüber seiner Familie vernachlässigt hatte. Mit gesenktem Kopf erklärte er Harry die Lage, der offensichtlich keine Ahnung davon hatte, daß der Betmann die Kinder mitgenommen hatte. Das war bezeichnend für die gesamte Situation. Niemand interessierte sich für die kleinen schwarzen Jungen; sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, Harry davon zu berichten, der gemeinsam mit ihren Eltern aufgewachsen war.
    Mit geduldigem Fragen gelang es Harry, die Geschichte aus ihm herauszuholen. Er half Moobuluk mit englischen Wörtern aus und kramte seine eigenen, fast vergessenen Kenntnisse des Clandialektes hervor. Ihm war durchaus bekannt, daß verschiedene staatliche und religiöse Gruppen Programme durchführten, bei denen schwarze Kinder aus ihren Stammesverbänden herausgerissen und in die weiße Gesellschaft eingegliedert wurden, doch bisher hatten ihn diese Dinge nicht sonderlich interessiert. Er hatte es einfach für richtig gehalten und wurde sich erst jetzt der Leiden bewußt, die diese Vorgehensweise für die Eltern mit sich brachte.
    »Es tut mir leid, schrecklich leid.«
    Doch Moobuluk war noch nicht fertig. »Leider noch nicht alles. Bobbos Mummy so traurig, hat sich in See gestürzt und ist ertrunken.«
    »Minnie?« rief Harry entsetzt aus. Erst dann erinnerte er sich daran, daß die Namen von Toten nicht erwähnt werden durften, und senkte beschämt den Kopf.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er noch einmal. Moobuluk akzeptierte seine Entschuldigung.
    Dann fuhr er fort. »Gabbidgee ist gebrochener Mann, ganz traurig, und Nioka fortgelaufen, wie wahnsinnig. Was haben sie mit Jungen gemacht, Harry? Kommen nie wieder?«
    Harry sträubten sich die Haare. Er wußte von der Vergeltung der Aborigines; die Geschichten darüber hatten ihn immer fasziniert. Nachdem Moobuluk ihm sein Herz ausgeschüttet hatte, würde er ihn fragen, ob er etwas über Teddys Verschwinden wußte, das Verschwinden des Jungen, den die Aborigines wie ihre eigenen Kinder liebten.
    Bei diesem Gedanken lief ihm ein Schauer über den Rücken, und auch Moobuluks kalter, steter Blick wirkte alles andere als tröstlich. Drei schwarze Kinder in Teddys Alter hatte man aus Springfield entführt, und nun war ihr weißer Spielkamerad ertrunken. Jesus, konnte es sich dabei um ihre Vergeltung handeln? Mit heiserer Stimme wiederholte er seine Frage, die der Alte unbeantwortet gelassen hatte:
    »Wo ist der Rest der Horde? Ist einer von ihnen mit dir zurückgekommen?«
    Moobuluk sah ihn erstaunt an. »Können nicht zurückkommen. Ich sie weggebracht, damit weißer Mann nicht andere Kinder auch stiehlt. Verstehst du, Harry? Sie mußten gehen.«
    »Du lieber Himmel, warum hat mein Vater nichts dagegen unternommen? Oder Victor? Oder meine Mutter? Was haben sie sich nur dabei gedacht?«
    »Interessiert keinen. Sind doch nur schwarze Kinder!« stieß der alte Mann

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