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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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aus.«
    Rupe sah vom Fenster aus, wie seine Gastgeberin nach draußen eilte und in die schicke Kutsche stieg, die er schon beim Rennen bemerkt hatte. Nur wenige Leute besaßen derart elegante Gefährte, selbst die Brodericks gaben sich mit gepolsterten Gigs mit wasserdichten Dächern zufrieden.
    Sie mußte ein Vermögen gekostet haben, dachte er und grinste, als er den alten Stallburschen Charlie auf dem Kutschbock sah, der in seiner grünen Livree und der passenden Kappe eher wie ein höfischer Page als wie ein Bushie wirkte. »Hält sich wohl für eine verdammte Herzogin«, murmelte er. Dann ging er in den Salon und blätterte einige Farmermagazine durch. Doch die Realität holte ihn bald wieder ein. Besorgt fragte er sich, ob sie Teddys Leiche bereits gefunden hatten, und suchte die Bilder zu vertreiben, die sich ihm immer wieder aufdrängten – Bilder eines Kindes, das im wirbelnden Wasser umhergeschleudert wurde. Er durfte nicht daran denken, es war einfach zu furchtbar.
     
    Für die Männer war es an der Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen. Freiwillige Helfer von anderen Farmen unterstützten sie bei der Suche. Sie hatten den Fluß mehrmals mit Schleppnetzen durchkämmt, und Harry wußte, daß weitere Versuche im Grunde sinnlos waren. Die Ufer waren mit durchweichtem Unrat übersät, den sie zutage gefördert hatten; die schlammbedeckten Gegenstände wirkten geisterhaft. Als der dicke Lehm an den herausgefischten Ästen trocknete, nahmen sie steife, surreale Formen an, die die an sich schon gespenstische Szenerie nur noch verstärkten.
    Victor war so durcheinander, daß er kaum wußte, was er tat. Er eilte zum Fluß und schikanierte die Männer, rannte zurück zu Louisa, brüllte die Hausmädchen an, befahl ihnen unablässig, das Haus zu durchsuchen, bis Harry einschritt und ihn mit einigen Gläsern Brandy zu beruhigen suchte.
    Louisa sprach nur im Flüsterton und zuckte zusammen, sobald jemand das Wort an sie richtete. Dann zog sie sich in ihr Nest unter der Decke im äußersten Winkel des Ledersofas zurück. Daher war Harry sehr überrascht, als sie ihn plötzlich ansprach.
    »Du wirst ihn finden, nicht wahr? Das wirst du doch, oder?«
    Er stimmte ihr zu, obgleich er nicht wußte, ob sie die Leiche oder das lebende Kind meinte. Warum war er nur hergekommen? Er konnte nichts tun, hatte sich nie zuvor so ohnmächtig gefühlt. Er versuchte, einen Brief an Connie zu schreiben, doch selbst dazu war er nicht in der Lage. Also machte er sich durch den Obstgarten und den ausgetretenen Pfad entlang auf den Weg zum Fluß, wo man Teddy zuletzt gesehen hatte. Früher am Tag hatte er das Grab seines Vaters besucht, still mit dem Hut in der Hand dagestanden und ihm das Versprechen gegeben, er werde in Zukunft öfter nach Springfield kommen. Victor hatte ihm etwas über Charlottes Einmischung berichten wollen, die den Besitz in den Untergang treiben würde, doch die Geschichte klang so verwickelt und absurd, daß Harry sie weder verstand noch sonderlich ernst nahm. Also ließ er seinen Bruder reden, während seine Gedanken abschweiften. Hannah hatte Charlotte telegrafiert, und er zweifelte nicht daran, daß seine Mutter bereits unterwegs war. Er erwartete, jeden Moment von ihr zu hören, da sie ein Transportmittel brauchen würde, um nach Springfield zu gelangen. Er fürchtete sich davor, ihr die schreckliche Nachricht beibringen zu müssen. Erst sehr viel später würde er mit ihr über die Probleme sprechen, die Victor anscheinend solches Kopfzerbrechen bereiteten.
    Als Harry sich dem Fluß näherte, schoß ein Dingo aus den Büschen und versperrte ihm den Weg. Das Tier war verkrüppelt, aber von beträchtlicher Größe, so daß Harry vorsichtshalber zurückwich. Gewöhnlich reagierten Dingos nur auf diese Weise, wenn man sie beim Fressen störte. Dann ertönte ein scharfer Pfiff, und der Hund machte ihm zögernd Platz, wobei er mißtrauisch seine Fersen beschnüffelte.
    Die Neugier trieb Harry weiter; er wollte gern erfahren, wem das Tier gehörte.
    Als er den alten Aborigine vor sich sah, der mit überkreuzten Beinen am Ufer saß, war er gar nicht überrascht. Nur wenige weiße Männer besaßen Dingos.
    »Hallo«, grüßte er ihn freundlich und setzte sich neben ihn.
    »Was machst du hier, Boß?«
    »Warten.«
    Der Hund legte sich neben seinen Herrn.
    »Wann kommt die Horde wieder zurück?« fragte Harry.
    Das Haar des alten Mannes war ebenso weiß wie sein zerzauster Bart, das ledrige Gesicht voller Falten. Er

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