Sterne im Sand
existiert nicht mehr, die Anführer sind geflohen. Da sie nicht wußten, was sie mit den Kindern anfangen sollten, haben sie sie vor dem Armenhaus ausgesetzt.«
»Das ist ja entsetzlich!«
»Vielleicht verstehst du jetzt, in was für einer Zwangslage Harry sich befindet«, warf Fern ein. »Er kann schlecht mit leeren Händen zu der Frau zurückkehren. Welches von den Kindern ist Niokas?«
»Jagga. Immerhin ihn scheinen wir ja aufgespürt zu haben.«
»Ich bin froh, Ihnen weitergeholfen zu haben. Jetzt muß ich mich aber schleunigst auf den Weg machen.«
»Warum so eilig, bleib doch noch auf einen Kaffee.«
»Nein, vielen Dank.« Mrs. Collins erhob sich. »Ein anderes Mal vielleicht. Ich muß zu einer Versammlung, du wirst im Geschäft erwartet, und Harry wird heute sicher ebenfalls sehr viel zu tun haben. Aber laßt mich wissen, was aus der Sache geworden ist.«
»Natürlich«, versprach Harry lächelnd.
»Viele Grüße an Connie. Wie geht es ihr eigentlich?«
»Sehr gut. Sie erwartet ein Kind«, erwiderte er stolz.
»Eine wundervolle Nachricht. Gott segne Sie beide.«
»Tut mir leid, Sir«, sagte das Hausmädchen. »Mrs. Smith ist nicht da.«
»Das ist bedauerlich. Könnte ich dann bitte mit Mr. Smith sprechen?«
»Er ist im Büro, Sir. Möchten Sie vielleicht Ihre Karte hinterlassen?«
Automatisch griff Harry nach seiner Brieftasche, erinnerte sich dann aber grinsend, daß er gar keine Visitenkarten mehr besaß. »Ich heiße Harry Broderick. Wann erwarten Sie Mrs. Smith zurück?«
»Erst heute nachmittag.«
»Und wenn ich um fünf Uhr noch einmal vorbeischaue?«
»Dann müßten beide hier sein.«
»Gut. Da fällt mir ein, ist Jack zu Hause?«
»Wer ist Jack?«
»Der kleine Aborigine-Junge. Das Pflegekind der Smiths, soweit ich informiert bin.«
»Nein, der ist nicht mehr hier. Ist schon eine ganze Weile weg.«
Harry stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. »Wo ist er denn jetzt?«
Das Mädchen schien zu spüren daß sie sich hier ein Problem eingehandelt hatte, und machte einen Rückzieher. »Ich weiß es nicht. Warten Sie, ich frage die Köchin.«
Nach einer Weile tauchte eine kantige, grauhaarige Frau an der Tür auf. »Sie suchen den kleinen Jack?«
»Ja, deshalb bin ich gekommen.«
»Und Sie sind Mr. Broderick?«
»Ja.«
»Warum haben Sie Mr. Smith nicht bei der Arbeit aufgesucht?«
»Ich kenne weder Mr. noch Mrs. Smith. Ich suche nur nach dem Jungen.«
»Wieso?«
»Man hat ihn seinen Eltern gegen ihren Willen weggenommen. Ich muß ihn unbedingt finden, Madam. Können Sie mir sagen, wohin er von hier aus gekommen ist? Er hat doch hier gewohnt, oder?«
Die Köchin seufzte. »Ja. Er war ein lieber kleiner Kerl.«
Dann trat sie vor die Tür und nahm Harry beiseite. »Sie werden doch keinem sagen, daß Sie es von mir haben? Könnte mich meine Stelle kosten.«
»Nein, das verspreche ich Ihnen.«
»Gut. Mrs. Smith hat ihn mitgebracht und wollte ihn zu einem Püppchen dressieren, aber er konnte sich nicht an das Haus gewöhnen.« Sie rümpfte die Nase. »Geht manchem von uns genauso. Sie hat manchmal so komische Launen, will was Besseres sein. Er hatte Heimweh, war richtig unglücklich. Hat sie geärgert. Der Herr ist den ganzen Tag außer Haus. Schließlich hatte sie ihn über.«
»Sie hatte Jagga, ich meine Jack, über?«
»Genau. Sie hat das Interesse an ihm verloren, wie bei all ihren tollen Ideen. Die halten meistens nicht lange vor …«
»Und was ist dann passiert?«
»Der Herr hat den Jungen weggebracht. Sie hatte ihn hübsch angezogen, und er sah aus wie ein Kätzchen, das man zum Fluß trägt, um es zu ersäufen. Mir wurde ganz übel dabei.«
»Du lieber Himmel, wo haben sie ihn hingebracht? In ein Waisenhaus?«
»Nein, ins Schwarzenreservat, irgendwo hinter Ipswich. Die Missus hat erzählt, wie gut es ihm da geht, weil er bei seinen Leuten ist, und daß sie ihn vermißt und so. Aber das war nur Gerede …«
»In ein Reservat? In dem Alter? Von seinen Leuten kann da niemand sein. Er kommt aus dem Westen.«
Die Köchin runzelte die Stirn. »Wie kommt so ein kleiner Kerl dann nach Brisbane? Klingt nicht, als hätten Sie sich gut um ihn gekümmert.«
»Ich weiß. Es war alles ein furchtbarer Fehler. Deshalb versuche ich ja jetzt auch so verzweifelt, ihn zu finden.« Er zog eine halbe Krone aus der Tasche. »Von Jack, für die einzige Freundin, die er hier hatte. Vielen Dank für Ihre Hilfe. Sie brauchen den Smiths nicht zu sagen, daß ich hier
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