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Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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wirkten wie er selbst.
    In Ipswich mußte er aussteigen und bis zum Aborigine-Reservat reiten. Später würde er das Tier zurückbringen und wieder den Zug besteigen. Ob er nach Toowoomba oder zurück nach Brisbane reisen würde? Das hing davon ab, welche Antworten ihm der Besuch im Reservat brachte. Würde er Jagga noch dort finden? Er bezweifelte es, da die Kinder schon so oft herumgereicht worden waren; dennoch mußte er es versuchen. Harry fürchtete sich davor, hören zu müssen, man habe Jagga in ein Waisenhaus nach Brisbane gebracht. Es wäre nicht weiter überraschend, immerhin galt der Junge als Waise. Was machte es schon für einen Sinn, ihn zwischen lauter Fremde in ein Reservat zu stecken? Er hatte gehört, daß kein Schwarzer freiwillig dorthin ging, wo man die Aborigines ohne Rücksicht auf Stammes- oder Clanzugehörigkeit zusammenpferchte. Allein schon darin erkannte ein Mann wie Harry, dem die Kultur der Aborigines vertraut war, ungeheure Probleme.
    Als er aus dem Zug stieg, war er so niedergeschlagen, daß er am liebsten nach Toowoomba weitergefahren wäre. Dort wartete ein Pferd, das ihn nach Hause bringen würde. Doch welches Zuhause? Tirrabee, wo Connie ihn erwartete? Springfield, wo er Nioka sein Scheitern eingestehen mußte? Der arme Doombie war tot, Bobbo nicht aufzufinden, und Jagga, ihr eigener Sohn, war von Pontius nach Pilatus geschleppt und wie zahllose Leidensgenossen seiner Rasse entwurzelt worden. Wenn Bobbo und Jagga nun auch an Schwindsucht litten? Vielleicht konnte er sie deshalb nicht finden.
    Dieser Gedanke verlieh ihm neuen Auftrieb. Es gab noch immer eine Chance, Jagga ausfindig zu machen. Sein Gewissen drängte ihn, diesen letzten Versuch zu unternehmen, so wenig Aussicht auf Erfolg auch bestehen mochte.
    Hoffentlich würde er Connie nicht noch länger warten lassen müssen.
    Für ein Mietpferd war das Tier, ein kräftiger Brauner, ausgezeichnet und galoppierte schwungvoll auf die Landstraße hinaus. Sicher hatte es selten Gelegenheit dazu, war vermutlich nur bequem dahintrabende Städter gewöhnt. Das Pferd gefiel ihm, er würde sich schwer von ihm trennen.
    »Tut mir leid, Kumpel, ich würde dich gern behalten, aber was auch geschieht, ich muß wieder in den verfluchten Zug steigen.«
    Er hielt sich an die Wegbeschreibung, die man ihm in den Stallungen von Ipswich gegeben hatte, und erreichte bald das offene Tor des Reservats. Es gab keine Hinweisschilder in dieser baumlosen Ansammlung von Hütten und Schuppen, doch am Tor stand ein ordentliches Holzgebäude, das offiziell wirkte. Es war eine exakte Kopie der Polizeiwachen des Landes. Einige Stufen führten auf eine schmale Veranda, von dort aus gelangte man zu einem Schalter im Innenraum.
    Vor dem Eingang lungerten ein paar seltsam gekleidete Aborigines herum, die ihn neugierig betrachteten. Er nickte ihnen zu. »Wo ist der Boß?«
    Sie deuteten die Stufen hinauf. Harry achtete nicht auf das Kind, das in einem verschmutzten weißen Hemd um die Ecke kam, stehenblieb und ihn anstarrte, wobei es sich am Kopf kratzte.
    Jagga überprüfte jeden Neuankömmling, da er noch immer Ausschau nach seinen Freunden hielt. Er wußte, dieser große weiße Mann hatte etwas zu bedeuten, auch wenn er keine Kinder bei sich hatte. Er wirkte irgendwie vertraut. Der Junge rieb verlegen einen Fuß am anderen Bein, als suche er in seinen zusammengewürfelten Erinnerungen nach einem Anhaltspunkt. Dieser Mann war ein weißer Boß, soviel wußte er. Er kam von einem Ort, den er kannte, einem guten Ort.
    Jagga folgte Harry die Treppe hinauf und spähte in den Raum, wo der Boß mit dem Leiter des Reservats sprach, der hinter seinem Schalter stand. Er konnte nicht genau hören, was sie sagten, doch dann fiel sein Name. Der weiße Boß hatte seinen Namen ausgesprochen, nicht Jack, sondern Jagga! Er schlich sich vorsichtig hinein und zupfte kaum merklich an der Jacke des Mannes.
    Der Lagerboß brach in dröhnendes Gelächter aus. »Sie suchen nach Jagga, Kumpel? Der kleine Bengel kriegt doch alles mit! Er hängt gerade an Ihren Rockschößen!«
    Überrascht drehte Harry sich um. Er hatte sich bereits so sehr daran gewöhnt, Fehlschläge hinnehmen zu müssen, daß er nun mißtrauisch wurde. Er erkannte das verdreckte Kind nicht wieder. Wie auch? Victor und Rupe kannten Jagga besser als er, sie hatten schließlich nicht jahrelang in Brisbane gelebt.
    »Bist du Jagga?« fragte er.
    »Genau, Boß, ich Jagga.«
    Er konnte jeder sein. Aborigines waren bekannt

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