Sterne im Sand
war. Ich glaube, wir haben nicht viel gemeinsam.«
»Sieht aus, als käme noch ein Kunde«, bemerkte Buster, als ein großer Mann vom Pferd stieg und das Tier am Tor festband.
»Mach die Vorhänge zu«, schalt ihn Molly. »Es ist ungehörig, die Leute zu beobachten. Wenn er was zu sagen hat, wird er schon an die Tür kommen.«
Dennoch konnte auch sie sich einen raschen Blick auf den Ankömmling nicht verkneifen. Vermutlich ein werdender Vater, der die Hebamme rufen wollte. Sie wartete, bis er den Türklopfer betätigt hatte, und öffnete ihm mit einem Lächeln.
»Was kann ich für Sie tun, junger Mann?«
»Sind Sie Mrs. Giles, die ehemalige Aufseherin vom Armenhaus?«
»Ja.«
»Darf ich eintreten?«
Sie führte ihn in das winzige Wohnzimmer. Zum Glück hatte Buster sich verzogen, es gab nämlich nur zwei Sessel. »Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist Harry Broderick. Ich komme von Springfield Station in den Downs. Ich suche nach drei kleinen Aborigine-Jungen und habe erfahren, daß Sie mir dabei vielleicht helfen können.«
Ihr Herz begann heftig zu klopfen. »Mein Gott, setzen Sie sich, Mr. Broderick. Ich hatte immer gehofft, daß einer nach ihnen fragt, aber es ist nie passiert.«
»Ich hörte von verschiedenen Seiten, daß Sie gut zu ihnen gewesen sind, wofür ich Ihnen gar nicht genug danken kann. Wir wußten zunächst gar nicht, daß sie verschwunden waren.«
»Wie ist das möglich?«
Harry erzählte seine Geschichte ein weiteres Mal, und die Frau reagierte voller Empörung.
»Man sollte Leute erschießen, die Kinder gewaltsam von ihren Eltern wegschleppen. Haben wir noch nicht genügend Bettler in der Stadt? Wenn ich Sie richtig verstehe, waren diese Missionare Betrüger. Das ist ja nun wahrlich nichts Neues. Warum aber haben Sie sie gehen lassen?«
Harry brachte es nicht über sich einzugestehen, daß seine Familie sogar ihr ausdrückliches Einverständnis dazu gegeben hatte, und antwortete ausweichend. »Ich weiß nicht, ich war nicht dabei.«
Dann fuhr er in seinem Bericht fort. »Ich glaube, ich bin Jagga auf die Spur gekommen. Er lebte eine Weile bei einem gewissen Ehepaar Smith, doch dann haben sie ihn in ein Eingeborenenreservat bei Ipswich gebracht.«
»Du lieber Gott! Dann war da noch Bobbo. Ihn konnten wir in einem Waisenhaus unterbringen …«
»Von dort ist er weggelaufen. Ich dachte, Sie wüßten vielleicht, wo er und Doombie sind.«
Die Frau wirkte auf einmal sehr still. »Doombie ist hier.«
»Was?« Harrys Gesicht hellte sich auf, und er wollte schon aufspringen, doch sie hielt ihn zurück und sah ihn ernst an.
»Im Armenhaus wurde Doombie sehr krank. Wie Sie sich denken können, ist es eine Brutstätte für Krankheiten. Mein Bruder und ich haben ihn liebgewonnen und konnten ihn einfach nicht dortlassen. Als ich in den Ruhestand trat, habe ich Doombie mit zu mir genommen. Er ist hier sehr glücklich gewesen, wirklich, und es war uns eine große Freude, das Kind bei uns zu haben.« Sie holte tief Luft. »Mr. Broderick, ich habe den Rat mehrerer Ärzte eingeholt und ihn so gut wie möglich gepflegt, aber er hat die Schwindsucht.«
Sie wischte ihre Tränen mit einem Taschentuch fort. Harry saß wie versteinert da. Er erinnerte sich daran, wie diese Kinder mit Teddy gespielt hatten, wenn er in den Sommerferien mit Connie nach Springfield kam. Alle waren gesund und glücklich gewesen. Am liebsten hätte er Reverend Billings eigenhändig grün und blau geprügelt. Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und rieb sich die Stirn. Vielleicht übertrieb die Frau ihre Sorge ja ein wenig, da sie das Kind offensichtlich so sehr liebte.
»Kann ich ihn sehen?« fragte er heiser.
Aus dem Flur erklang eine Stimme. »Er darf sich nicht aufregen.« Das war vermutlich der Bruder.
»Schon gut, Buster«, sagte die Frau sanft. »Hol doch bitte die Wäsche rein.« Dann wandte sie sich wieder Harry zu.
»Mein Bruder macht sich furchtbare Sorgen um Doombie. Als das Kind die ersten Schwächeanfälle erlitt, sagte ich, es dürfe sich nicht aufregen. Jetzt ist es eigentlich egal, aber ich bringe es nicht übers Herz, ihm das zu sagen.«
»Oh, Gott, steht es denn so schlecht um ihn?«
»Ich fürchte, ja.«
Er folgte ihr in eine enge Diele und von dort aus in einen winzigen Raum, der mit seinem Waschtisch und den Medizinflaschen wie ein Krankenhauszimmer wirkte. An einer Stange hingen saubere Handtücher, in der Ecke stand ein kleiner Schaukelstuhl. Das Bett mit den
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