Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
Wand, während sie die Knöchel umklammerte, den Hals reckte und den Rücken durchbog. Die Haltung war überaus schmerzhaft.
    »Nun sprich mir nach: ›Ich entsage dir, Satan. Ich vertreibe den Teufel …‹«
    Diese Sitzungen endeten erst, wenn Amy zusammenbrach, den Herrn um Vergebung anflehte und sich dankbar mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden ausstreckte. Obwohl diese Strafe mit Qualen verbunden war, stärkte sie ihr Bewußtsein für die Gegenwart des Herrn. Wenn sie sich dann erheben durfte, konnte sie aus voller Kehle »Halleluja! Halleluja!« ausrufen, wieder vereint mit ihrem Mann.
    Doch eine Frage blieb.
    Als sie ins Bett stieg, erinnerte sie sich wieder daran. »Hast du gehört, was diese Mrs. Broderick, Louisa, über die schwarzen Kinder gesagt hat?«
    Er nickte. »Ja, ich habe es gehört.«
    »Sie scheint zu glauben, daß sie wiederkommen.«
    »Was nur die Unwissenheit dieser Frau beweist. Sie gibt sich als Anglikanerin aus und hat keine Ahnung von Theologie. Und zu allem Überfluß hat sie unsere Mission völlig mißverstanden. Diese schwarzen Kinder müssen aus dem Schmutz des Heidentums und der animalistischen Rituale errettet werden. Würde man sie zurückbringen, fielen sie erneut der Verderbtheit anheim.«
    »Das habe ich mir auch gedacht. Sie scheint zu glauben, daß sie wie weiße Kinder ins Internat kommen. Vielleicht solltest du ihr erklären …«
    »Auf gar keinen Fall! Wir brauchen einem verzogenen Balg wie ihr doch nicht das Wort des Herrn zu erklären. Hast du ihr Kleid gesehen? Es war vorn einfach obszön weit ausgeschnitten. Ihr Ehemann sollte es ihr vom Leib reißen. Und nun zieh das Laken beiseite.«
    Pflichtschuldig zog Amy ihr langes Nachthemd hinunter, bis nur noch die Füße herausschauten, und warf das Laken zur Seite. Sie sah Tom dabei zu, wie er sie in seinem dicken Nachthemd bestieg.
    »Ich bin bereit«, sagte er. »Bedecke dein Gesicht.«
    Sie legte sich das Kopfkissen so übers Gesicht, daß er ihr in Würde beiwohnen konnte.
     
    »Was gibt es denn so Dringliches, daß sie dafür das Essen ausfallen lassen?« fragte Hannah. Charlotte zuckte die Achseln. »Das hat man mir nicht gesagt, aber ich werde es herausfinden. Bereite ein Tablett mit Sandwiches und kaltem Braten vor, und was du sonst noch finden kannst. Ich werde es ihnen bringen. Sie können nicht erwarten, daß du den ganzen Abend hier herumsitzt und wartest, bis sie fertig sind.«
    »Das Gemüse ist inzwischen sowieso zerkocht«, erwiderte Hannah naserümpfend. »Ich brate es morgen mit Rindfleisch auf. Minnie, du kannst Brot schneiden und buttern.«
    Minnie kam mit verweinten Augen aus der Spülküche. »Was haben gesagt?«
    »Das Brot! Schneide das Brot! Hole Butter aus der Speisekammer! Gott steh uns bei, Mädchen, was ist nur in dich gefahren?«
    Charlotte starrte sie an. »Ist alles in Ordnung, Minnie? Die Sache bei Tisch vorhin war doch nur ein Mißgeschick. Du brauchst dich deswegen nicht so aufzuregen.« Sie wollte sie berühren, doch Minnie fuhr zurück, als habe man sie schlagen wollen.
    »Um Himmels willen, du zitterst ja wie Espenlaub«, sagte Charlotte. »Bist du krank, Minnie?«
    »Nein, Missus«, schluchzte das Mädchen.
    »Ich glaube, es geht ihr nicht gut«, sagte Charlotte zu Hannah. »Laß sie gehen. Morgen früh sehen wir weiter.«
    Minnie sauste zur Hintertür hinaus und rannte den Weg hinter dem Gästeflügel hinunter. Als sie an dem Zimmer vorbeikam, in dem das böse Ehepaar schlief, hörte sie die Frau »Halleluja! Halleluja!« schreien. Es gellte furchtbar durch die warme Nacht. Minnie stolperte vor lauter Angst, obwohl sie die Worte nicht verstand. Sie rappelte sich auf und rannte weiter, vorbei an der Schlafhütte, die sie mit den anderen schwarzen Hausmädchen bewohnte, und über die Koppeln. Noch immer in Panik, raffte sie ihr Baumwollkleid und sprang mühelos wie eine geübte Hürdenläuferin über die Zäune. Erst am Fluß verlangsamte sie ihren Lauf. Hier war sie zu Hause, hier fühlte sie sich sicher.
    Sie trottete den vertrauten Pfad zum Lager entlang. Die Finsternis der mondlosen Nacht schreckte sie nicht.
    Ihre Leute würden keine Fragen stellen. Einmal wöchentlich durfte sie für die Nacht ins Lager zurückkehren, und sie würden denken, dies sei ihr freier Abend. Sie zählten die Tage nicht so wie die Weißen.
    Dennoch mußte sie vorsichtig sein und durfte kein Wort über die Sache verlieren, damit man sie nicht für einen Hasenfuß hielt, der sich vor weißem Gerede

Weitere Kostenlose Bücher