Sterne im Sand
glaube, Harry ist nicht zu Hause.«
Irgendwie bedauerte sie, daß die Trümmer beseitigt worden waren, denn sie hätte Fern mit Freuden die Beweise für Harrys empörendes Verhalten vorgeführt. Daher traf sie das Chaos im Schlafzimmer, das sie nun zum ersten Mal bei Tageslicht erblickte, auch völlig unvorbereitet. Sie stieß einen Schrei aus.
»Guter Gott!« sagte Fern und spähte über ihre Schulter. »Habe ich es dir nicht gesagt? Sieh dir das an! Er besitzt nicht einmal den Anstand, es in Ordnung zu bringen. Er ist ein Schwein! Ein verdammtes Schwein!«
Als eine Männerstimme aus der Diele ertönte, klammerte sie sich an Fern fest. »Ich kann ihm jetzt nicht gegenübertreten. Ich will ihn nicht sehen. Sag ihm, er soll gehen.«
»Jemand zu Hause?« fragte die Stimme. Connie fiel beinahe in Ohnmacht.
»Verdammt«, stieß sie hervor, »es ist mein Vater.«
Richter Walker war entsetzt. »Das sind mir ja schöne Sachen an einem Sonntagmorgen! Wo ist dein Mann?«
»Ich weiß es nicht und will es auch gar nicht wissen«, schmollte Connie.
»Wenn ich ihn erwische, bekommt er meine Peitsche zu spüren! Mrs. Broderick, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie sich um Connie gekümmert haben. Allerdings hätte sie Sie in diese schmutzige Angelegenheit nicht mit hineinziehen dürfen.« Er wandte sich an seine Tochter. »Weshalb bist du nicht zu uns gekommen?«
»Sie war so verwirrt«, erklärte Fern. »Es ist eine überaus schwierige Situation.«
»Nein, jetzt nicht mehr. Du packst deine Sachen und kommst mit mir nach Hause. Ich weiß nicht, was deine Mutter zu diesem schändlichen Benehmen sagen wird. Sie ist derartiges nicht gewohnt. In was für einem Haushalt hast du hier überhaupt gelebt, Mädchen? Und wo ist der Garderobenständer geblieben? Ich wußte nicht wohin mit meinem Hut.«
»Den hat er auch kaputtgeschossen«, flüsterte Connie.
»Seid ihr denn völlig verrückt geworden? Mrs. Broderick, ich glaube, das da draußen ist Ihre Droschke. Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden. Ich warte hier, bis meine Tochter ihre Habseligkeiten zusammengesucht hat. Wir möchten Sie nicht länger aufhalten. Ich stehe tief in Ihrer Schuld.«
Als Fern sich zur Tür wandte, fügte er noch hinzu: »Würden Sie Ihrem Neffen, falls Sie ihn sehen, bitte ausrichten, daß ich ihn morgen um Punkt neun Uhr in meinem Büro zu sehen erwarte? Ich verlange eine Erklärung und habe noch einige andere Angelegenheiten mit ihm zu regeln.«
»Falls ich ihn sehe«, sagte Fern zustimmend, hielt es insgeheim aber für äußerst unwahrscheinlich.
Connie machte eine Runde durchs Haus, um sich von Harrys Abwesenheit zu überzeugen. Sie entdeckte die Notizzettel auf dem Küchentisch und zerriß sie, ohne sie genau gelesen zu haben. Es ging um ausstehenden Lohn, mehr wollte sie gar nicht wissen. Sie konnte ihren Vater unmöglich noch mit den Problemen der Dienstboten belasten.
Als sie mit dem Gedanken gespielt hatte, Harry zu verlassen und zu ihren Eltern zurückzukehren, hatte sie sich die Sache ganz anders vorgestellt. Der Richter zeigte überhaupt kein Mitleid; er sah nur den Schaden, den das Gerede seinem eigenen Ruf zufügen würde. Er kochte vor Wut, als er die neugierigen Nachbarn sah, die sich draußen versammelt hatten und seine stadtbekannte Kutsche begafften.
»Beeil dich, du Unglückswurm«, rief er, »sonst werde ich auch noch zum Gespött der Leute.«
Die Droschke rollte durch die sonntäglich stillen Straßen. Fern überlegte, ob sie sich zum Botanischen Garten bringen lassen sollte, entschied sich aber mit leisem Bedauern dagegen. Sie schlenderte sonntags oft und gern zum Pavillon, wo sie sich mit einigen Freundinnen zum Morgentee traf. Es war eine zwanglose Angelegenheit, und Fern genoß es, nach einer Woche im Geschäft die neuesten Nachrichten aus der Gesellschaft zu erfahren.
Aber nicht heute, dachte sie. Schüsse im beschaulichen Paddington waren nicht an der Tagesordnung, und solche Neuigkeiten machten schnell die Runde, vor allem, wenn bekannte Persönlichkeiten involviert waren. Ihr war ganz und gar nicht danach, Fragen über ihren Neffen, den Herrn Abgeordneten, zu beantworten.
Auch den Plan, nach Springfield zu reisen, hatte sie endgültig aufgegeben. Nicht einmal Fern Broderick besaß den Mut, Austin und seiner Familie die Neuigkeit zu überbringen, daß Harry nicht nur tief verschuldet war, sondern auch noch im eigenen Heim mit einem Gewehr um sich geschossen hatte. Daß ihn seine Frau verlassen
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