Sterne im Sand
wollte ich zu meinen Eltern fahren, damit sie den Kutscher bezahlten, entschied mich dann aber anders. Wie hätte mein Vater wohl reagiert, wenn er mich in diesem Aufzug gesehen hätte? Er ist sehr jähzornig. Ich fürchte, er wäre schnurstracks zu Harry marschiert und hätte womöglich etwas Unüberlegtes getan.«
»Das ist durchaus möglich. Es war gut, daß du weiteren Schwierigkeiten aus dem Weg gegangen bist. Am besten, du gehst jetzt schlafen. Das war genügend Aufregung für einen Abend.«
»Was ist mit Harry?«
»Das legt sich wieder. Wenn er nicht mehr mit dir streiten kann, wird er sich vermutlich abregen und in aller Ruhe darüber nachdenken, wie dumm er sich verhalten hat. Morgen gehen wir zusammen zu ihm.«
»Nein! Auf gar keinen Fall. Ich gehe nie mehr dorthin zurück.«
»Na schön. Reg dich nicht wieder auf. Ich mache jetzt das Licht aus, und du versuchst zu schlafen.«
Fern schloß die Tür. Sie empfand großes Mitleid mit Connie. Da sie die Unterhaltung im Parlament mitgehört hatte, konnte sie Harrys Ausbruch gut verstehen. Schulden waren eine Sache – der Bankrott, der für einen Mann in seiner Position den Untergang bedeutete, eine andere. Sie war sich nicht im klaren darüber gewesen,
wie
dramatisch seine Lage war. Harry hatte sich die Vorschläge der Oppositionsmitglieder angehört, weil er dringend Geld benötigte. Anscheinend sogar viel Geld. Selbst wenn er seine Schulden bezahlen konnte, brauchte er darüber hinaus auch noch Geld zum Leben.
Fern ging in ihr Schlafzimmer, machte Licht und zog die Vorhänge zu. Falls Harry für zahlungsunfähig erklärt würde, wäre es das Ende seiner politischen Laufbahn. Sie fragte sich, ob die ausgekochten Taktiker dies bedacht hatten. Aber ja, natürlich hatten sie das. Wenn er sich weigerte, für das Landgesetz zu stimmen, blieben ihnen noch andere Möglichkeiten. Sie konnten das gleiche Ergebnis erzielen, indem sie dafür sorgten, daß man ihn seines Amtes enthob, was eine Gegenstimme weniger bedeutete. Hatte Harry diese Pläne durchschaut? Vermutlich schon. Kein Wunder, daß er so getobt hatte, was allerdings die Angriffe gegen seine Frau nicht im mindesten rechtfertigte.
Fern hoffte, daß sich alles wieder einrenken würde. Sie könnte auch gleich zu ihm fahren, doch würde sich um diese Uhrzeit wohl kaum noch eine Droschke auftreiben lassen. Außerdem hatte der Tumult außer den Nachbarn vermutlich auch die Polizei auf den Plan gerufen.
Mitten in der Nacht fuhr sie im Bett hoch, voller Angst, Harry könne sich in seinem Zustand etwas antun. Danach machte sie kaum noch ein Auge zu.
Eine zaghafte Sonne brach sich durch die dicken Wolken und ließ sie golden glänzen. Es herrschte noch ein heftiger Wind, doch der Sturm hatte nachgelassen. Harry saß auf der Hintertreppe und hielt sich den Kopf, und zwar nicht ohne Grund. Nachdem er Sam und Connie hinausgeworfen und das Gewehr weggeräumt hatte, war er durch die Verwüstung getappt, die er im Flur angerichtet hatte, bis er zur Whiskykaraffe vorstieß. Dann war er allein mit seiner Wut und seinem Whisky.
Stundenlang hatte er sodann über die beiden nachgegrübelt. Darüber, was er noch hätte zu ihnen sagen, was er hätte tun sollen. Als die Karaffe leer war, griff er zu einer neuen Flasche. Er verfluchte Sam und Connie wegen ihrer Verderbtheit, wegen ihres abstoßenden, gemeinen Verhaltens, und schwor sich, ihnen niemals zu vergeben. Dazwischen weinte er, wenn ihn sein Unglück überwältigte, und schlief endlich in einem Sessel ein.
In der Morgendämmerung weckte ihn sein rebellierender Magen. Er konnte gerade noch auf den Rasen laufen, wo er sich erbrach.
Danach schleppte er sich mit letzter Kraft zur Hintertreppe. Weiter kam er nicht. Er umklammerte seinen Kopf und saß noch immer so da, als die Köchin und das Hausmädchen durchs Gartentor auf ihn zukamen.
»Alles in Ordnung, Sir?«
Er schaute nicht hoch, sondern winkte nur ab und stieß ein ungehaltenes Grunzen aus. Als er ihre entsetzten Schreie hörte, mußte sich Harry sehr konzentrieren, um die Ereignisse der Nacht zu rekapitulieren.
Die Frauen liefen zu ihm zurück. »Mr. Broderick, was ist passiert? Da drinnen ist alles kaputt! Das Haus sieht aus wie nach einem Wirbelsturm! Wo ist Mrs. Broderick? Geht es Ihnen gut?«
Harry rappelte sich mühsam auf und starrte sie an. »Wir haben eine Party gefeiert. Macht es eben wieder sauber.«
»Wie denn? Die Möbel sind zertrümmert. Das Bett …«
»Na und?« Er drängte sich
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