Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
ich mir das blaue Auge geholt habe?«
Hannah nickte.
»Damals hab ich gedacht, dass die Schieferplatten aussehen wie alte Grabsteine, was sie natürlich sein könnten. Wahrscheinlich alte, die nicht mehr gebraucht wurden.«
»Das ist es!«, rief Hannah aus.
»Was meinst du?«
»Catherines Tochter Thomasina ist hier drin begraben.«
»Wer sind Catherine und Thomasina?«, fragte Maddie.
»Ach, ich hab ganz vergessen, dir von den anderen Sachen zu erzählen, die ich gefunden habe.«
Maddie hob eine Augenbraue.
»Sorry.« Ja, dachte Hannah, es passt alles. Wenn bloß OT das noch erlebt hätte!
»Ich weiß nach wie vor nicht, wovon du sprichst.« Maddie setzte sich auf die Armlehne eines Sessels.
»Hast du einen großen Bogen Papier für mich?«
»Klar.«
»Du weißt doch, wie Durchpausen geht, oder?«
Maddie eilte davon, während Hannah wartete. Sie wusste, dass sie recht hatte. Thomasina war in Trevenen begraben.
Als Maddie zurückkam, riss Hannah ihr das Papier und den Kohlestift aus der Hand, legte das Papier über die Platte und begann mit dem Stift darüberzureiben. Schon bald erschienen Buchstaben, die deutlich zu lesen waren, als Hannah aus der Nische heraustrat und das Resultat ihrer Bemühungen auf dem Boden ausbreitete.
T homasina P enventon
Geboren 15. Januar 1570
Gestorben 16. Januar 1570
Hannah packte Maddies Hand. Maddie drückte sie kurz und ging dann zu der Platte, um die Finger darübergleiten zu lassen. Hannah fragte sich, ob sie an ihre eigenen verlorenen Kinder dachte.
Der Trauerzug mit dem Sarg bewegte sich langsam durch den Ort zur Kirche. Maddie konnte sich bei dem Anblick des zylindertragenden Herrn, der das alte Pferd mit dem Sarg führte, ein Lächeln nicht verkneifen.
Der ganze Ort war für Tom auf den Beinen. Mark und Hannah führten die Prozession hinter dem Sarg an. Maddie wunderte sich noch immer darüber, dass Tom den Löwenanteil seines Vermögens Hannah hinterlassen und Mark als Testamentsvollstrecker eingesetzt hatte. Damit war Hannahs Ausbildung gesichert, und es würde sogar noch etwas übrig bleiben. Zum Glück würde sie erst mit fünfundzwanzig über das Geld verfügen können.
»Nicht«, flüsterte Maddie Tamsin zu, die zu kichern anfing.
»Ich kann nicht anders. Es ist wie in einer schlechten Komödie.« Tamsin hielt die Hand vor den Mund.
»Ich weiß, aber …«
»Old Tom hatte Humor; dem hätte der Zirkus hier gefallen.«
»Stimmt.« Maddie begrüßte Anthony, der sich gerade zu ihnen gesellte, mit einem Lächeln. Er schien sich in seinem dunklen Anzug nicht wohlzufühlen.
»Tut mir leid, dass ich so spät komme. Krise an der neuen Baustelle.«
»Bis jetzt hast du nichts verpasst.« Tamsin nahm seine Hand.
Maddie wehrte sich gegen die Eifersucht, die sie in sich aufsteigen spürte. Tamsins und Anthonys Liebe war etwas Besonderes. Maddie betrachtete Mark, der, Hannahs Hand haltend, vor ihr ging. Trotz der vielen Stunden, die sie gemeinsam die Beisetzung geplant hatten, war es ihnen gelungen, nicht über persönliche Probleme zu sprechen.
Tom Martin hatte ein interessantes Leben geführt, von dem die Unterrichtstätigkeit nur einen Teil ausmachte. Je mehr Papiere sie in seinem Haus gesichtet hatten, desto klarer war ihnen die Vielschichtigkeit dieses Mannes geworden. Die ihnen unbekannten Trauergäste gehörten zu seinem Dasein als Lehrer und Schriftsteller.
Als Mark sich lächelnd zu Maddie umwandte, setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Sie wusste, dass sie ihm noch eine Erklärung schuldete.
»Sind die Narzissen in dem Licht nicht wunderschön? Komisch, dass es jetzt noch so viele gibt«, bemerkte Tamsin.
Maddie betrachtete das strahlend gelbe Feld mit den im Wind wippenden Blütenkelchen, an dem der Sarg gerade vorbeigetragen wurde. Das Gelb hob sich deutlich von den dunklen Kleidern der Trauernden und vom Blau des Himmels ab. An einem so warmen Frühlingstag hätten die Menschen sonst so viel wie möglich ausgezogen, um mit ihrer bleichen Winterhaut die Sonne zu genießen. Doch heute hüllten sich alle in Schwarz. Hannahs schmale Gestalt wirkte darin fast tragisch. Sie trug dasselbe Kleid wie zu Johns Beisetzung. Maddie hatte nicht gewusst, dass sie es noch besaß. Hannah hatte sich in vielerlei Hinsicht verändert. Die vergangene Woche war sie ziemlich gefasst geblieben, sogar als sie erfahren hatte, dass sie aufgrund des unverhofften Erbes nicht mehr in allem von Maddie abhängig war.
Der Geistliche führte den Zug in die Kirche an, deren
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