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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Blatt Papier, und das Plätteisen für Kleidungsstücke.
    Hamburg erschien ihr wie eine Welt voller Wunder, mit Phantasie und mit Kunstfertigkeit allesamt von Menschen bewirkt. Oftmals wusste sie jedoch nicht, ob sie im Paradies gelandet war oder in einem nicht enden wollenden Albtraum.
    Die Kunde, dass ein Sohn dieser Stadt aus der Fremde zurückgekehrt war und eine exotische Frau von dort mitgebracht hatte – die romantische Geschichte seiner Liebe zur Prinzessin von Sansibar und ihre abenteuerliche Flucht von der Insel, wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, war längst auch schon nach Hamburg gedrungen und hier in aller Munde. Demzufolge riss man sich um die Gesellschaft des jungen Paares; jeden Tag flatterten neue Einladungen zu Diners, Soupers und Déjeuners in das Haus an der Schönen Aussicht . Die Anwesenheit der Ruetes garantierte strahlenden Glanz für jeden Gastgeber.
    Die Abende glichen einem Wirbel aus festlichen Roben, glitzerndem Geschmeide, Gesprächsfetzen und Musik, Farben, Formen, Geräuschen, Menschen, sodass Emily oft alles nur verschwommen, in farbigen Schlieren und verzerrten Tönen wahrnahm. Die Gesichter schienen ihr ununterscheidbar eintönig in ihren hellen Nuancen, den gleichförmigen Gesichtszügen; die Namen derart unaussprechlich, dass sie bereits in dem Moment vergessen waren, in dem sie bei der Vorstellung der betreffenden Personen fallen gelassen wurden.
    Das Deutsche klingt wie das Gezwitscher der Vögel, die uns früh am Morgen wecken. Dieser auf und ab steigende Singsang, ständig diese Laute von S, Sch, T, Tz, die mich ganz verwirren.
    Gleichermaßen herrlich wie befremdlich war es, wenn sie auf einem Stuhl am Rande eines Ballsaals saß, weil sie die Tanzschritte nicht kannte. Die Musik der Streicher klang ihr zunächst schief und falsch in den Ohren, bis ihr GehörMuster und Abfolgen darin erkennen und Emily einen gewissen Genuss daraus ziehen konnte. Den umherhüpfenden und umeinander kreiselnden Paaren zuzusehen ließ sie, unbeweglich, wie sie auf ihren Platz ausharrte, auf einem schmalen Grat zwischen wohligem Taumel und heftigem Schwindel wandeln.
    »Tanzt man bei Ihnen auf Sansibar denn auch?«, ließ eine junge Dame, die sich – nach einer Reihe von flotten Tänzen außer Atem – in den Stuhl neben Emily hatte fallen lassen, Heinrich vom Deutschen ins Suaheli übersetzen.
    »Wir tanzen nicht selbst, wir lassen uns von eigens dafür ausgebildeten Tänzern vortanzen«, erklärte Emily liebenswürdig.
    »Ach so«, sagte die junge Dame, als sie Heinrichs Übersetzung vernahm, bevor sie hinter dem Fächer, mit dem sie sich das glühende Gesicht kühlte, in Kichern ausbrach, das sich durch die Umstehenden fortpflanzte, die Zeuge dieses Gesprächs geworden waren.

    »Wissen Sie, dass wir alle Sie uns ganz anders vorgestellt haben?«, wurde sie an einem anderen Abend bei Tisch gefragt. Wenn Deutsch auch die vorherrschende Sprache war, so gab es in Hamburg doch genügend Leute, die auch des Englischen mächtig waren, und einige, die sich aufgrund ihrer Geschäftsbeziehungen mit Indien sogar leidlich auf Hindustani zu verständigen wussten. Manchmal war das Glück Emily besonders hold und sorgte dafür, dass auf einer dieser Gesellschaften jemand zugegen war, der Ostafrika bereist hatte und ein paar Brocken Suaheli beherrschte, was Emily jedes Mal aufblühen ließ.
    »Wahrhaftig?« Emily versuchte sich an einem höflichen Lächeln, bemüht, nicht auf das Dekolleté der nicht mehr ganz jungen Engländerin zu starren, die in die feine Gesellschaft Hamburgs eingeheiratet hatte. Die Mode, abends derart vielHaut zur Schau zu stellen, wohingegen man sich des Tags bis an den Hals zugeknöpft gab, mutete sie seltsam an und brachte sie stets aufs Neue in Verlegenheit. Bei der Garderobe, die sie für sich selbst anfertigen ließ, achtete sie darauf, dass ihr Halsausschnitt und ihre Arme immer bedeckt blieben.
    »Oh ja«, bekräftigte diese Frau Ehrenwerte Sowieso nun mit einem solch tiefen Atemzug, dass ihr ausladender Busen, kaum vom tiefen Ausschnitt ihrer Robe gebändigt, bebte wie der Milchpudding, der zum Dessert serviert worden war. »Mir wurde berichtet, Sie seien so dick wie ein Fass!«
    Salima biss sich fest auf die Unterlippe, um nicht in Gelächter auszubrechen. Während sie selbst unter fortwährender Appetitlosigkeit litt – was in Hamburg auf den Teller kam, sah für sie schwammig aus und bleich und schmeckte entsetzlich fade – und fast nur noch Haut und Knochen war,

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