Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
blühenden Phantasie ein Afrika erschaffen, von dem die gewöhnliche Afrikanerin nichts versteht!«
Heinrich gab Laute von sich, die verrieten, wie sehr er mit sich rang, um ein Lachen zu unterdrücken. Was derartkomisch klang, dass nun auch Emily nicht anders konnte, als über ihre Verärgerung an jenem Abend zu schmunzeln, die sie bewogen hatte, bereits um neun Uhr die Oper zu verlassen.
»Was sind wir nur für ein seltsames Paar, Bibi«, sagte Heinrich lachend und zog sie an sich.
»Oh ja, und wie«, schniefte sie, halb schluchzend, halb in sich hinein glucksend.
»Vergib mir«, murmelte er in ihr Haar, in jäh umgeschlagener Stimmung. »Vergib mir, dass ich dich hierhergebracht habe. Vergib mir, wenn ich Fehler mache und dir damit wehtue. Nichts liegt mir ferner, und dennoch werde ich es nicht immer verhindern können.« Als sie nickte, fügte er hinzu: »Wir müssen nicht mehr zu solchen Anlässen gehen, wenn du nicht willst.«
Emily zögerte. So verlockend war es, darauf einzugehen. Hätte sie nicht gesehen, wie er mit leuchtenden Augen ganz in den Gesprächen bei Tisch aufging. Wie eifrig er Hände schüttelte und wie so manche Visitenkarte von seiner Westentasche in eine andere wanderte.
»Für dich sind diese Leute aber wichtig, nicht?«
Heinrich schwieg. Um sie nicht zu beunruhigen, hatte er ihr nichts davon erzählt, dass er seines Heimatrechtes durch auswärtige Verheiratung verlustig gegangen war, wie es in dem Schreiben von Amts wegen geheißen hatte. Sie waren beide nicht Bürger dieser Stadt, sondern in Hamburg nur mehr geduldet. Je mehr Kontakte er knüpfte, je enger er diese knüpfte, umso größer war die Chance, einflussreiche Fürsprecher zu gewinnen, die ihnen zur Seite standen, was auch kommen mochte.
Seine Bibi Salmé war auch gänzlich ahnungslos, dass die Nachricht von ihrer beider Heirat und vor allem von Emilys Taufe auf Sansibar noch höhere Wellen geschlagen hatteals ihre Flucht von der Insel. Heinrich hatte Sansibar kaum in Richtung Aden verlassen, als Sultan Majid an John Witt schrieb, Heinrich Ruete solle sich tunlichst nicht mehr blicken lassen auf Sansibar. Und doch war Heinrich entschlossen, genau das zu tun. Weil er sich selbst geschworen hatte, dass Emilys Besitzungen, die sie ihm vertrauensvoll überschrieben hatte, nicht brach liegen, dass sie diese nie verlieren sollte, allein weil sie in seinen Händen lagen. Schon gar nicht Kisimbani, wo sie beide so glücklich gewesen waren.
Vor allem jedoch, weil er in den letzten Tagen verstanden hatte, dass er Emily aus Deutschland wieder fortbringen musste. Ihm war nicht verborgen geblieben, wie unglücklich sie hier war. Wie sehr sie fror, sodass sie trotz des warmen Sommers im Haus stets eine Flanelldecke übergeworfen hatte. Wie schwer sie sich in dieser ihr so fremden Welt tat.
Heinrich wusste, was Heimweh war. Er hatte selbst eine Zeit lang darunter gelitten, bevor er sich in Sansibar verliebte, lange bevor er Emily begegnet war. Die Sehnsucht nach der fernen Insel verband sie beide. Im Geheimen plante er ihre Rückkehr, und für ihn bedeutete dies, als Erster vorangehen zu müssen, um den Weg für die Heimkehr Bibi Salmés zu bereiten.
»Ja, sie sind wichtig für mich«, gab er schließlich zur Antwort. »Leider. Auf einer einsamen, menschenleeren Insel kann man leider keine Geschäfte machen.«
Emily focht einen kurzen, aber heftigen Kampf mit sich selbst aus. »Ich werd versuchen, tapfer zu sein«, flüsterte sie und küsste ihn.
Die Zeit wird ’s richten , dachte sie, als Heinrich den Arm ausstreckte, um das Licht zu löschen. Als sie sich gemeinsam in das Land begaben, das ihnen beiden vertraut war, so wie sie im Leib des anderen heimisch geworden waren. In dem es nureine Sprache ohne Worte gab, die sie beide blind beherrschten; dieselbe Sprache, in der sich Männer und Frauen von Anbeginn der Zeiten an begegnen und die doch ganz allein die ihre war.
Solange Heinrich bei mir ist, werd ich wohl alles ertragen können.
42
Die Regeln der Höflichkeit verlangten, dass die Ruetes bald Gegeneinladungen aussprachen, und die bevorstehende erste Gesellschaft im Haus an der Schönen Aussicht versetzte Emily in hektische Aufregung. So vieles, was es zu bedenken gab, zu planen und zu beschaffen, so vieles, was sie nicht wusste, und so vieles, was sie falsch machen und womit sie sich und vor allem Heinrich blamieren konnte. Im Hafen hatte Heinrich eine Suppenschildkröte aufgetan, die wie eigens für sie bestellt aus
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