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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Zylinderhutes oder ihrer Mütze tippten, ihre Kopfbedeckung kurz lüfteten, um jemanden zu grüßen. Wie die Damen gut gelaunt zurücknickten, einen heiteren Zug auf dem Gesicht. Hamburg versprach eine freundliche, eine offene Stadt zu sein; eine, in der sich gut leben ließ.
    »Wie vergnügt sie alle sind«, murmelte Emily erstaunt. Sie verspürte einen neidvollen Stich ob ihrer eigenen Trauer, und doch bescherten ihr diese Straßenszenen einen Silberstreif am Horizont: dass diese Heiterkeit bald auch in ihr ihre Wirkung tun mochte. Dass sie in Hamburg wieder das Lachen lernen könnte.
    »Wie kommst du darauf ?«, entgegnete Heinrich in ehrlicher Verblüffung.
    »Sieh doch«, erwiderte Emily, nicht weniger verblüfft darüber, dass Heinrich nachfragte. »Alle lächeln oder lachen! Ihr Deutschen müsst eine durch und durch vergnügte Nation sein.«
    Heinrich blieb ihr eine Erwiderung schuldig. Es würde noch Zeit genug sein, sie dahingehend aufzuklären, dass das andauernde Lächeln auf den Mienen reine Höflichkeit war und keine Rückschlüsse auf die Empfindungen der Menschen zuließ, allzu oft nichts anderes war als eine Fassade – da musste er ihr diese Illusion nicht schon am ersten Tag nehmen.

    Das Straßenbild lockerte auf, wurde ländlicher und von viel Grün durchsetzt. Wo die Häuser zuvor in nahtlosen Reihen und Blöcken verbunden gewesen waren, standen sie hier allein, wenn auch recht dicht, umgeben von gepflegten Gärtchen, Rasenteppichen und Bäumen.
    »Wohnen hier Fürsten und andere hohe Würdenträger?«, wollte Emily wissen und deutete auf die zartgelben und blendend weißen Fassaden, die bläulich überhaucht waren vom Abendlicht. Mit ihren Zinnen, Säulen und Treppen sahen sie aus wie Burgen oder Schlösser, was noch betont wurde durch Türme, über denen schwarz-weiß-schwarze oder rot-weiß-rote Fahnen flatterten. Auch Mrs Evans, die die gegenüberliegende Sitzbank gleich hinter dem Kutschbock einnahm, sah sich interessiert um.
    »Zumindest Leute, die sich eines dieser neuen Häuser leisten können. Vielleicht nicht die beste Adresse, aber eine sehr gute. Wer hier auf der Uhlenhorst wohnt, hat es zu etwas gebracht.«
    Etwas an der Art, wie er seine Äußerung betont hatte, ließ Emily aufhorchen.
    »Heißt das …«
    »Ja, Bibi. In diesem Teil Hamburgs werden wir wohnen.«Er klang höchst zufrieden. »Zwar ist das Haus fürs Erste nur gemietet, aber sehr komfortabel und auch hübsch gelegen. Wir kaufen uns ein Haus, sobald ich geschäftlich fester im Sattel sitze.«
    Der Wagen rollte durch Straßen, an denen alles neu und sauber wirkte. Hier waren die Häuser weniger protzig, dafür von einer schlichten, lichten Eleganz, die Emily gefiel. Sie stieß einen Laut des Entzückens aus, als sie am Ende der Straße Wasser sah, und am letzten Haus vor dem Uferweg, der von Gras, schlanken Pappeln und noch jungen Eichen gesäumt war, hielt die Droschke.
    »Ist das unseres? So nah am Wasser?!« Zum ersten Mal klang Emily wieder lebendig.
    »Ja«, gab Heinrich mit einem Lachen zur Antwort. »Das ist es. Diese Straße trägt ihren Namen zu Recht: Schöne Aussicht .«
    Hamburg, Uhlenhorst, an der Schönen Aussicht Nr. 29.
    Ihr neues Heim.
41
    Die ersten Wochen in Hamburg glichen einem Rausch.
    Fast wie in einem Traum , dachte Emily oft. Meine Augen, meine Ohren reichen nicht aus, um alles in mich aufzunehmen. Zehn Augen, zehn Ohren bräuchte ich!
    Gänzlich begeistert war sie davon, dass in einem Raum des Hauses, neben dem Schlafgemach gelegen, beim Drehen eines Knaufs Wasser aus den Rohren kam und in das darunterliegende Becken floss, ohne sich je zu erschöpfen, so lange Emily es auch herausströmen ließ. Und wie Zauberei kam es ihr vor, dass bei Einbruch der Dunkelheit in der Stadt die Gaslaternen auf den Straßen ganz von selbst angingen. Sie bestaunte die mannigfaltigen Gerätschaften in der Küche des Hauses aus Kupfer, Eisen, Holz und Keramik, deren Verwendungszweck ihr rätselhaft erschien, und dass nur die Köchin Lene darin werkelte, während auf Sansibar ein ganzes Heer von dienstbaren Geistern mit ungleich weniger und einfacheren Mitteln die Mahlzeiten zubereitet hatte, und das für Hunderte und Aberhunderte von Menschen, nicht nur für das Ehepaar Ruete und für Mrs Evans. Und sie staunte über die Läden, die sie mit Heinrich aufsuchte, um die Lücken in ihrem provisorischen Hausstand zu schließen. Besonders gut gefielen ihr die Wäschemangel, mitder man ein Bettlaken so glatt bekam wie ein

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