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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Tränen wegwischend, die ihr unablässig die Wangen hinabrannen, schlich sie in den abgedunkelten Raum hinein.
    »Bibi? Bist du das?« Seine Stimme klang erschreckend flach, wie abgeschürft.
    »Ja, Heinrich.« Ihre Stimme flackerte, als sie sich an sein Bett setzte und seine linke Hand nahm. Die rechte war unter der Bettdecke verborgen, und Emily ahnte, dass der Arm schwer verletzt sein musste. Viel sehen konnte sie nicht; die schwache Beleuchtung ließ kaum mehr als Schemen erkennen.
    »Bibi – roho jangu. Mein Atem, meine Seele. So spät kommst du noch … Bitte, wein doch nicht.«
    »Ich versuch’s. – Hast du große Schmerzen?«
    Sein Atem kam stoßweise.
    »Ja.«
    »Wo?«
    »In – in der Brust.«
    »Oh Heinrich«, brach es aus ihr heraus. »Wie konnte das nur passieren?«
    Er gab ein trockenes, gequältes Auflachen von sich. »Das weiß Gott allein.«
    Die Viertelstunde verging viel zu schnell. Viel zu bald kam eine Schwester herein und bat Emily mit sanftem Nachdruck, jetzt zu gehen. Sachte küsste Emily Heinrich auf die Stirn.
    »Bis morgen. Gute Nacht, Heinrich.«
    » Ya kuonana – auf bald«, flüsterte er.
    » Ya kuonana «, erwiderte Emily mit wehem Herzen.

    Ausgelaugt und am Ende ihrer Kräfte, wurde Emily wieder nach Hause gebracht, doch an Schlaf war nicht zu denken. In ein dickes wollenes Umschlagtuch gehüllt, saß Emily die restlichen Nachtstunden auf dem Balkon ihres Hauses und starrte in den Himmel. Betrachtete die Sterne, die ihr hier ungleichferner und bleicher erschienen als über Sansibar. Als diese nach und nach verblassten und der Himmel verblaute und sich lichtete, ging sie in das Zimmer ihrer Kinder, betrachtete den friedlichen Schlaf von Tony, Said und Rosa, die noch nichts von dem Unheil ahnten, das über ihre bislang sorglose Kindheit hereingebrochen war.
    Emily kniete sich hin, legte den Kopf auf die Kante von Rosas Wiege und weinte lautlos.

    Erst im unbarmherzigen Licht des neuen Tages, wurden Heinrichs schwere Verletzungen offenbar. Im Gesicht und am Kopf, im Brustkorb und an den Gliedmaßen, durch deren Verbände noch immer Blut sickerte.
    »Guten Morgen, Bibi«, begrüßte er sie und versuchte, seiner Stimme einen munteren Klang zu geben, streckte seine unverletzte Hand nach ihr aus. »Bist du hier, um mich zu einem Spaziergang abzuholen?«, fragte er in neckendem Tonfall.
    Emily lächelte und ließ sich auf der Bettkante nieder. »Wir können gern zusammen einen Fluchtplan aushecken, wie wir von Ärzten, Schwestern und dem Mann an der Pforte ungesehen hier hinaus und nach Hause kommen.«
    Sein Mund zuckte. »So wie du damals von Sansibar geflohen bist?«
    Emily hielt seinen Blick fest. Lange. »Ja«, flüsterte sie. »So wie damals.«
    »Weißt du noch«, sagte er leise, »wie wir uns begegnet sind – du auf dem Dach deines Hauses, ich am Fenster des meinen?«
    »Nichts«, erwiderte Emily zärtlich und fuhr mit den Fingern über die Stellen in seinem Gesicht, die nicht zerschunden oder abgeschürft waren, »nichts von alldem werde ich je vergessen.«Emilys Sorgen und Ängste wirkten einmal mehr unbegründet. Heinrich machte den Eindruck, als sei er auf dem Weg der Besserung. Als sei sein Unfall nur ein tüchtiger Schrecken ohne allzu schwerwiegende Folgen gewesen, und er tat so, als habe er sich nur einige Gelenke verstaucht und ein paar Prellungen und Kratzer abbekommen. Mit Geduld und guter Pflege würde er wieder auf die Beine kommen, das schien gewiss. Sie erinnerten sich an ihre vergangene Zeit auf Sansibar und schmiedeten Pläne für ihre Rückkehr dorthin, während Emily mit ihrem Fächer, den sie aus ihrer Heimat nach Hamburg mitgebracht hatte, die Fliegen verscheuchte, die an diesem heißen Sommertag im Krankenzimmer herumsurrten. Und es war fast ein bisschen so, als säßen sie auf der Veranda von Kisimbani beisammen und all das Schwere, das hinter ihnen lag, wäre nie geschehen.

    Am Nachmittag jedoch begann Heinrich zu fiebern und zu phantasieren.
    Emily bangte. Schöpfte Hoffnung, als er zu Bewusstsein kam und danach verlangte, aufzustehen und etwas zu essen. Bangte erneut, als das Fieber ihn wieder in seine Klauen bekam.
    Emily litt. Litt mit ihm und auch mit sich selbst.
    Stunde um Stunde. Einen Tag und noch einen.
    Als Heinrichs Kräfte sichtbar schwanden und er gänzlich in einem Zustand tiefer Bewusstlosigkeit versank, benötigte Emily keinen Arzt, um zu wissen, wie es um ihren Mann stand. Dennoch kam spätabends der Hausarzt der Ruetes, Dr. Gernhardt, in

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