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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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hatte, wie sie den Kaffee für Gäste durch einen alten Strumpf filterte. Emily war außer sich gewesen, hatte den nassen Stoffklumpen voller Kaffeesatz augenblicklich ins Herdfeuer geworfen, und Lenes Protest, der Strumpf sei doch aber gewaschen, war ungehört verhallt. Voller Misstrauen, was womöglich noch alles hinter ihrem Rücken vor sich ging, verlangte Emily das Haushaltsbuch zu sehen. Sie las und rechnete und rechnete noch einmal nach und begriff, wie viel Geld jeden Monat in den Taschen der Dienstboten verschwand, anstatt wie vorgesehen samt und sonders in den Töpfen und Schränken der Ruetes zu landen. Ohne viel Federlesens entließ sie die gesamte Dienerschaft, hieß Heinrich eine Annonce aufgeben und wählte die vorstelligen Bewerberinnen nach eigenem Gutdünken aus. Ihr Stolz auf diese Leistung hielt lange vor, schenkte ihr neue Tatkraft und Zuversicht.
    Zum ersten Mal in den drei Jahren, die Emily nun hier war, hatte sie das Gefühl, sie könnte hier heimisch werden. Sie fror nicht mehr so sehr, begann auf Deutsch zu denken und zu träumen, vermochte die Eigenarten der hiesigen Menschen besser zu nehmen und gewöhnte sich sogar an das Essen.
    Und mit ihrem Heimweh nach Sansibar versuchte sie zu leben, so gut es ging.

    So bestand in diesem Sommer ihre größte Sorge darin, dass das Stillen Rosas – ein lang gehegter Wunsch und von ihrem modern eingestellten Hausarzt Dr. Gernhardt als das Beste für Mutter und Kind empfohlen – nach gut drei Monaten nicht mehr so recht klappen wollte. Schweren Herzens entschied sich Emily abzustillen, worauf ihr Körper mit einem leichten Fieber und mit Mattigkeit antwortete. Das Schwerste war bereits überstanden, dennoch hatte Emily sich an diesem Nachmittag mit in ein Tuch gepackten Eiswürfeln auf der Stirn auf ihrem Bett ausgestreckt, noch angekleidet, nur für ein Stündchen.
    »Hallo, Bibi«, flüsterte es von der Tür her.
    Emily öffnete die Lider und schickte ein müdes Lächeln zu ihrem Mann hinüber. »Heinrich. Ist es schon vier Uhr?« Sie schickte sich an aufzustehen, aber Heinrich, der sich auf der Bettkante niedergelassen hatte, drückte sie zurück in die Kissen.
    »Bleib ruhig noch liegen.« Er küsste sie auf die Wange. »Wie geht es dir?«
    »Viel besser. Nur ein wenig heiß ist mir noch.«
    »Sag bloß, du hast dich bereits so an das hiesige Klima gewöhnt, dass dir der Hamburger Sommer inzwischen zu warm ist«, gab Heinrich mit leisem Lachen zurück.
    Emily lächelte und versetzte ihm einen leichten Knuff. »Mach dich ruhig lustig über mich!«
    Heinrichs Bart zuckte erheitert, doch er klang ernst, als er sagte: »Das würde ich nie tun, Bibi Salmé.« Er küsste sie noch einmal. »Höchstens ein bisschen …«
    Emily gluckste in sich hinein.
    »Anna hat unten aufgetragen. Magst du mit hinunterkommen, oder soll ich dir etwas heraufbringen lassen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Hunger.«
    »Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich nachher noch Vater besuche?«
    Hermann Ruete kränkelte seit längerer Zeit, befand sich deshalb auch bereits seit zwei Jahren im vorzeitigen Ruhestand. Derzeit ging es ihm wieder etwas schlechter, weshalb er sich in das Sommerhäuschen der Ruetes vor den Toren Hamburgs zurückgezogen hatte, wo er sich in Stille und reiner Luft von seiner Gattin pflegen ließ.
    »Nein, nicht im Geringsten. Bestell ihm bitte liebe Grüße von mir.«
    »Mach ich. Ich bin um neun Uhr zurück.«
    Liebevoll streichelte er ihre glühenden Wangen. Emily hörte ihn hinausgehen und die Tür behutsam hinter sich schließen. Wie aus weiter Ferne vernahm sie seine Stimme, dann Saids kollerndes Lachen. Der laue Wind des Sommertages, der die Blätter der Bäume mit papiergleichem Rascheln gegeneinanderrieb und die Vorhänge vor dem geöffneten Fenster bauschte, lullte sie ein, ließ sie in einen Dämmerzustand sinken, aus dem sie rasch in einen tiefen Schlaf hinüberglitt.

    Heinrich rannte den Bahnsteig entlang.
    Er war spät dran. Johanna hatte ihm eine Tasse Kaffee nach der anderen aufgenötigt, und sein Vater, froh um die Ablenkung, die der Besuch seines ältesten Sohnes an sein einsames Krankenlager gebracht hatte, hatte stundenlang alte Geschichten aus Heinrichs und seiner eigenen Kindheit zum Bestengegeben und war dabei vom Hundertsten ins Tausendste gekommen. Nur mit Mühe hatte Heinrich sich losmachen können, und nun musste er sich sputen, um die Pferdebahn noch zu erreichen. Nicht die letzte, die an diesem Juliabend in

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