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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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manchmal, wenn das Heimweh gar zu sehr an ihr nagte, zur Hand genommen hatte; Märchen von listigen Wesiren und von klugen Kalifen, von unbarmherzigen Sultanen und von schönen Sklavinnen. Sie hatte solche und ähnliche Dinge selbst erlebt, und doch waren sie nicht mehr Teil ihrer Wirklichkeit. So schön es war, Zahira wiederzusehen – insgeheim atmete Emily auf, als es Zeit war aufzubrechen.

    Während Tony und Rosa sich darin ergingen, ihre Eindrücke von dem arabischen Haus, von dessen Einrichtung und Ausstattung, von den gekosteten Süßigkeiten auszutauschen, und Said zwischendurch seine eigenen Kommentare dazu abgab, wanderte Emily schweigend durch die Straßen. Nickte nur geistesabwesend, als der junge Offizier, der sichtlicherleichtert wirkte, dass sie wohlbehalten zurück war, sie inständig bat, um Himmels willen dem Admiral nicht zu verraten, dass er sie für eine Stunde allein gelassen hatte.
    Emily sah, dass viele Häuser auf Sansibar neu gebaut oder frisch gestrichen waren. Sie sah aber auch Gebäude, aus deren Fassaden Sonne, Wind und Regen Löcher herausgenagt hatten wie eine Maus aus einem Stück Käse, und Häuser, die vermutlich beim nächsten Zuschlagen einer Tür in sich zusammenstürzen würden. Trümmerhaufen und Ruinen bemerkte sie, an denen die Menschen achtlos vorbeigingen, ohne dass sich jemand darum kümmerte, den Schutt abzutragen. Gräser und hoch aufschießendes Kraut wucherten zwischen den Steinbrocken. Bäume ragten daraus hervor, sprengten mit ihren Wurzeln Pflastersteine und die Fundamente der Häuser. Mit schwarzgrauem Schimmelpilz überzogene Essensreste lagen herum und gärten unter stechendem Geruch. Verbeulte Blechdosen rosteten vor sich hin, und in stinkenden Pfützen verwesten Tierkadaver.
    Hat es hier schon immer so ausgesehen?
    Emily wusste, dass dem so war, sie erinnerte sich dunkel daran. Aber damals hatte Sansibar auch noch keinen Sultan gehabt, der in Bombay in den Vierteln der Engländer gelebt, der Paris und London bereist hatte. Der zwar danach trachtete, zu leben und zu residieren wie Könige und Kaiser, sich Prunkbauten errichten ließ und nicht genug davon bekommen konnte, sich mit Silber und Gold und Porzellan zu umgeben, sich aber keinen Deut darum scherte, wie es außerhalb seiner Palastmauern aussehen mochte.
    Zu ihrer eigenen Überraschung störte sich Emily an dem Zustand der Stadt, der erbärmlich war im Vergleich zu Hamburg oder Berlin, Städte, die ungleich sauberer, ordentlicher und vor allem gesünder wirkten.
    Bin ich tatsächlich schon so deutsch geworden?
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    Ihren Bruder sah Emily nur aus der Ferne, jeden Abend, wenn sie von ihren Spaziergängen durch die Stadt zurückkehrte, um wieder an Bord der Adler gebracht zu werden.
    Denn jeden Abend, bei Sonnenuntergang, trat Sultan Barghash auf den Balkon seines Palastes, um sich seinen Untertanen zu zeigen und von ihnen bejubelt zu werden. Salutschüsse aus den Geschützen vor dem Palast kündigten sein Erscheinen an, und nachdem das Echo des letzten Donners verhallt war, erschien der Sultan an der Balustrade, um andächtig der eigens für ihn nach europäischem Vorbild komponierten Nationalhymne zu lauschen, die die Musikkapelle unten spielte: eine disharmonische Mischung aus afrikanischen Klängen und den indischen Weisen, die Barghash in Bombay kennengelernt und von dort mitgebracht hatte, untermalt von militärischen Fanfarenstößen und zwischendurch akzentuiert von einem kräftigen Tusch. Und an jedem Freitag, dem muslimischen Feiertag, fanden vor dem Palast zwei Paraden der askaris statt, der Soldaten des Sultans, bei denen diese unter den Augen des Sultans in strammer Haltung und akkurater Formation zu aus Europa importierten Militärmärschen auf und ab schritten.
    Barghash sah aus, wie Emily ihn im Gedächtnis behaltenhatte, mit seiner dunklen Hautfarbe, der fleischigen Nase und den vollen, aufgeworfenen Lippen, dem Erbe seiner abessinischen Mutter. Seinen schwarzen Bart im dunklen Gesicht trug er kürzer als früher, und so verschwenderisch sein Lebensstil war, so schlicht kleidete er sich: in ein einfaches weißes Gewand, darüber die schwarze Oberkleidung, die dezent mit goldenen Borten besetzt war, und mit einem weißen Turban. Ein Diamantring am kleinen Finger, der auffunkelte, wenn er die Hand zum majestätisch-huldvollen Gruß hob, stellte seinen einzigen Schmuck dar. Seine Schritte, wenn er herauskam, um sich seinem Volk zu zeigen, und seine Bewegungen waren kraftvoll und doch anmutig.

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