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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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damit die Besucher aus Europa ihrer Sitte gemäß bequem sitzen konnten. Emily und ihre Töchter in den schmalen Röcken und den Korsetts zeigten sich auch dankbar dafür.
    »So viel erzählt man sich hier über dich«, begann Zahira, als Kaffee und Gebäck serviert worden waren. »Aber aus deinem Munde selbst will ich alles hören. So sprich, wie ist es dir ergangen in der Fremde?«
    Emily beschrieb das Leben in Hamburg und in Berlin und in der Provinz. Nur am Rande erwähnte sie, dass sie Witwe war, worauf Zahira ihr tröstend die Hand drückte. Von menschlichen Enttäuschungen und materieller Not erzählte sie nichts. Lieber gab sie lustige Anekdoten zum Besten: wie sie sich mit der fremden Sprache abgemüht und welche Missverständnisse ihre mangelnden Kenntnisse anfangs hervorgerufen hatten.
    »Erzähl mir nun von dir«, schloss sie ihre eigenen Schilderungen. »Wie geht es dir?«
    »Prächtig, prächtig«, antwortete Zahira. »Sechs Kinder hab ich geboren, und ich bin schon Großmutter von achten!« Ihr Blick fiel auf Said. »Dein Sohn sieht aus wie ein wahrer Prinz. Als könnte er eines Tages ein guter Herrscher sein.«
    Said tat so, als bemerkte er nicht, dass er zum Gegenstand des Gesprächs wurde, und konzentrierte sich ganz auf die Tasse in seiner Hand.
    Said als Sultan über Sansibar? Emily musterte ihren Sohn nachdenklich. Solange es Gerüchte gewesen waren, über die man in den Zeitungen schrieb, schien ein solcher Gedanke keine Bedeutung zu haben, nicht schwerer zu wiegen alsDruckerschwärze auf Papier. Hier auf Sansibar jedoch hielt man offenbar diese Möglichkeit durchaus für vorstellbar. Während seine Schwestern stets ihre Begeisterung kundtaten über all das Exotische, Aufregende, das sie hier zu Gesicht bekamen, über die Aufmerksamkeit, die ihrer Mutter zuteil wurde, wirkte Said zunehmend in sich gekehrt. Emily hatte den Eindruck, dass er sehr viel nachgrübelte über das, was er hier jeden Tag sah, und nicht zuletzt über seine Herkunft. Aber Said in der Nachfolge seines Großvaters, von Majid und Barghash – das konnte sich Emily für ihren Sohn nicht vorstellen. Durch sie lag ein Teil seiner Wurzeln zwar hier im Orient, sein arabisches Erbe stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Trotzdem war Said ein durch und durch europäischer Junge.
    »Sansibar bräuchte einen guten Herrscher, weißt du«, fuhr Zahira fort, sah sich hastig um, als witterte sie heimliche Lauscher in den Winkeln des Raumes, und senkte ihre Stimme zu einem Raunen. »Barghash ist wie ein kleines Kind – voller Zorn und Hass, wenn es nicht nach seinem Willen geht. Er hat so gar nichts von der Güte Eures Vaters oder von der Milde deines Bruders. Nicht einmal seiner eigenen Familie gegenüber! Man erzählt sich, er habe eure Schwester Chole vergiften lassen, weil sie ihm nicht gehorsam war. Und Khaduj schickte er auf eine Pilgerfahrt nach Mekka, von der sie nie wieder zurückkehrte.«
    Wäre es nicht so erschütternd gewesen, hätte es Emily zum Lachen gereizt ob dieser grausamen Ironie des Schicksals. Ausgerechnet Khaduj, die einst zu ihrer Hüterin bestellt gewesen war, bis Emily zur Strafe für ihre Verfehlungen ebendiese Reise auf Nimmerwiedersehen antreten sollte, und die ihr dann doch zur Flucht verholfen hatte. Es war ihr kein Trost zu hören, dass Majid Khaduj nicht wie befürchtet für Emilys Flucht mit dem Tode bestraft hatte und dass ihr vielleichtnoch einige gute Jahre vergönnt gewesen waren, ehe Barghash sie zu dieser Schicksalsfahrt verurteilte.
    Fassungslos vernahm Emily, dass Barghash einen ihrer jüngsten Brüder eingekerkert und in Ketten hatte legen lassen, weil er befürchtete, Anhänger von Khalifa, der ihm in der Thronfolge am nächsten stand, suchten eine Revolte gegen ihn anzuzetteln – so wie er es einst gegen Majid getan hatte. Und eine Nebenfrau Barghashs, eine schöne Tscherkessin, die den Gruß eines portugiesischen Matrosen vom Fenster aus erwidert hatte, wie es die Höflichkeit auf Sansibar von jeher gebot, war auf Befehl des Sultans hin ausgepeitscht worden und daran gestorben.
    Zunehmend beschlich Emily ein Gefühl der Befremdung, während Zahira eine Untat Barghashs nach der anderen aufzählte. Obwohl Geschichten von brutalen Grundherren und despotischen Herrschern Teil ihrer Kindheit und Jugend gewesen waren und sie selbst eine Rolle in Barghashs gescheiterter Revolte gespielt hatte, muteten sie diese Schilderungen merkwürdig an. Wie aus den orientalischen Märchen, die sie

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