Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
geltend zu machen, werde ich wohl nie wieder haben!«
»Verehrte Frau Ruete«, fuhr der Admiral fort. »Ich verwende mich gerne persönlich für Sie und für Ihr Anliegen beim Sultan, in meiner Eigenschaft als Admiral wie als Vertreter des Deutschen Reiches. Aber bitte bleiben Sie weiter an Bord.Nur hier kann ich für Ihre Sicherheit und für die Ihrer Kinder garantieren.« Seine hohe Stirn legte sich in Falten. »Sie denken doch wohl nicht daran, selbst bei Sultan Barghash vorzusprechen?«
Rasch schlug Emily die Augen nieder. Unruhig verschränkte sie die Finger in ihrem Schoß und löste sie wieder. Ihre Stimme klang leise, fast ein wenig unsicher, als sie sagte: »Selbst wenn dem so wäre – wäre das nicht allein meine Angelegenheit?«
»Nein, Frau Ruete. Das wäre es nicht. Selbst wenn wir die politischen Interessen Deutschlands außer Acht lassen, die Sie womöglich aufs Spiel setzen, wenn Sie den Sultan erzürnen. Sie gefährden auch sich selbst und Ihre Kinder.«
Barghash ist mein Bruder, er würde doch nie … , wollte sie schon ansetzen, als ihr Zahiras Schauergeschichten in den Sinn kamen, und sie blieb stumm.
»Sie wollen mir doch nicht weismachen, Sie hätten nicht bemerkt, dass der Sultan Sie bei jedem Ihrer Schritte beobachten lässt!«
Emily presste die Lippen aufeinander, bis sie nur mehr eine schmale Linie bildeten. Natürlich hatte sie die Inder wahrgenommen, die ihnen auf ihrem Weg durch die Stadt folgten: Barghashs Spione. Die nicht einmal davor zurückschreckten, sich als Verkäufer von irgendwelchem billigen Tand auszugeben, um unter dieser Tarnung an Bord der Adler zu gelangen, wie der Leutnant ihr berichtet hatte.
»Und sagen Sie nicht«, fuhr er gedämpfter fort, »Ihnen ist nicht zugetragen worden, dass der Sultan die Leute, die Ihnen freundlich begegnen, festnehmen und auspeitschen lässt.«
Emily schluckte und schüttelte den Kopf, ließ ihn schließlich sinken wie ein gescholtenes Schulmädchen. »Das … das wusste ich nicht.«
In ihrem Kopf begann es zu hämmern.
Das ist doch alles nicht wahr … Das kann doch alles unmöglich wahr sein. Ist das wirklich noch das Sansibar, nach dem ich mich all die Jahre gesehnt habe? Was ist das für eine Welt, in der solche Dinge möglich sind?
»Lassen Sie sich vom einfachen Volk nicht täuschen, Frau Ruete«, drang die Stimme des Admirals behutsam zu ihr. »Wer auf der Insel etwas zu sagen hat, dem sind Sie hier nicht willkommen. Verlassen Sie mutwillig den Schutz, den unser Flottenverband Ihnen bietet, lehne ich jede weitere Verantwortung für Ihre Sicherheit und die Ihrer Kinder ab.«
Emily straffte sich wieder und erhob sich würdevoll. »Ich weiß auf mich und meine Kinder Acht zu geben. Schließlich bin ich hier geboren und aufgewachsen. Sansibar ist meine Heimat.«
Der Admiral schüttelte den Kopf und stand ebenfalls auf. »Ich bedaure, Ihnen das so sagen zu müssen, Frau Ruete, aber Sie irren sich. Sansibar war Ihre Heimat. Vor vielen Jahren.«
62
»Und du willst da wirklich einfach so hingehen?« Tonys Miene drückte äußerste Skepsis aus. Sie bemühte sich, mit ihrer Mutter Schritt zu halten, die, von einem Schwung gepackt, den ihre Kinder schon sehr lange nicht mehr bei ihr erlebt hatten, aus dem Hotel trat und dann in großen Schritten vorwärtsstürmte.
»Das siehst du doch«, gab Rosa frech an Emilys Stelle zurück.
»So war es Brauch, als mein Vater noch Sultan war«, erwiderte Emily voll grimmiger Entschlossenheit, den hoch aufragenden Palast von Beit il Ajaib fest im Blick. »Jeder, der ein Anliegen vorzubringen hatte, durfte ohne große Formalitäten bei ihm vorsprechen.« Sie verschwieg ihre Befürchtung, dass auch dies eine Sitte sein mochte, mit der Barghash gebrochen hatte.
Als sie vor dem gewaltigen Tor angelangt waren, das Barghash für den Durchritt auf einem Elefanten geplant hatte, zauderte Emily einen winzigen Augenblick lang, dann schritt sie mit ihren Kindern auf die Torwachen zu, die ihnen zwar nicht grimmig, aber durchaus aufmerksam entgegensahen.
»As-salamu aleikum« , grüßte Emily sie, in einer Mischung aus herablassender Freundlichkeit und hoheitlichem Stolz, ihr Kinn herausfordernd in die Luft gereckt. »Emily Ruete,geborene Sayyida Salima bint Sa’id, verlangt Sultan Sayyid Barghash bin Sa’id zu sehen. In meiner Eigenschaft als Bürgerin des Deutschen Reiches sowie als seine Schwester erbitte ich eine Audienz für mich und meine Kinder, des hochwohlgeborenen Sultans Neffe und seine
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