Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
verlieren.
»Aber was können wir tun?« Zäh vor Ratlosigkeit kamen die Worte aus Salimas Mund.
»Er braucht unsere Hilfe, Salima«, flüsterte Chole. »Er sieht nicht, wie er sich zugrunde richtet. Majid ist vollkommen geblendet von seinen Pflichten als Sultan und vergisst darüber, für sich selbst Sorge zu tragen.«
Sachte, aber doch bestimmt löste Salima die Hände der Schwester von ihrem Gesicht und schickte sich an aufzustehen. »Ich gehe zu ihm und rede mit ihm.«
»Nein! Bleib!«
Salima zuckte zusammen unter der Schärfe dieses Ausrufs, unter der Heftigkeit, mit der Chole sie zurückhielt, sie zurück auf die Kissen zwang. »Tu das nicht, Salima! Er wird es dir nicht danken. Genauso wenig wie er es mir gedankt hat …« Um Choles vollen, geschwungenen Mund bildete sich ein bitterer Zug, und über Salimas Gesicht glitt ein Anflug von Verstehen.
»Ging es darum bei eurem Zerwürfnis?«
Choles Lider senkten sich, und eine feine Röte zeichnete sich auf ihren nassen Wangen ab. Schließlich nickte sie mit bekümmertem Gesicht.
Dass zwischen Chole und Majid nicht alles zum Besten stand, das hatte Salima schon eine Weile gespürt. Wenn auch keiner von beiden je ein Wort darüber verloren hatte.
Wieder rannen Tränen aus Choles Augen. »Nur um seines Wohlergehens willen habe ich meine Stimme erhoben. Und mit solch hässlichen Worten hat er es mir vergolten!«
Salimas Herz quoll über vor Liebe zu ihrer schönen, gutherzigen Schwester und zog sich gleichzeitig zusammen vor Zorn über Majids Ungerechtigkeit. Vor Sorge um den Bruder.
»Dennoch kann ich nicht einfach tatenlos zusehen, wie er sich ins Unglück stürzt. Und noch weniger, wie er uns alle mit hineinzieht«, fügte Chole schniefend hinzu.
»Was kann ich tun?«, flüsterte Salima.
Ihre Schwester schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen weg. »Nein, Salima, das kann ich nicht von dir verlangen.«
»Bitte, Chole, was auch immer du vorhast – ich will das Meine dazu beitragen!« Salima ergriff Choles Hände und hielt sie fest. »Für Majid und für Sansibar«, setzte sie feierlich hinzu.
12
»… so Ihr uns Eure Unterstützung gewährt und Uns unverbrüchliche Treue schwört.«
Salima saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem Polster, ein Schreibgestell vor sich, und übertrug mit Bambusfeder und Tinte die Worte in die Schlangenlinien, Schnörkel und Punkte der arabischen Schrift.
»Dies gegeben«, fuhr er fort, »soll Euer Einsatz nicht ohne Lohn bleiben. Möge Allah Unserer Unternehmung wohlgesinnt sein. Unterzeichnet – Sayyid Barghash.«
Salima legte die Feder beiseite und wartete einige Herzschläge lang mit gesenkten Lidern, bis die Tinte notdürftig getrocknet war. Dann nahm sie das Blatt und reichte es zu Barghash hinauf, der neben sie getreten war, wobei sie es vermied, ihm in die Augen zu blicken.
»Die Bestellungen?«
Sie griff sich den Packen zusammengefalteter Blätter am Fuß des Rohrgestells, die sie zuvor nach Barghashs Vorgaben beschrieben hatte, und übergab sie ihm ebenfalls. Briefe, die den Tod bringen werden, schoss es ihr durch den Kopf, und sie unterdrückte ein Schaudern.
Barghashs dunkle, fleischige Hand legte sich für einen Moment auf ihr Haupt, die Unterseite der schweren Ringe unangenehm hart auf ihrem Scheitel. »Gutes Kind.«
Unbeweglich blieb Salima sitzen. Das Geräusch von Barghashs Pantoffelschritten, als er den Raum verließ, um die Briefe mitsamt klingender Münze den unten im Haus wartenden Boten zu übergeben, begann in ihren Ohren immer heftiger zu dröhnen, je weiter es sich entfernte: ihr eigener, angstvoll beschleunigter und überlauter Herzschlag.
Die Ellenbogen auf die Innenseite der Knie gestützt, vergrub sie das Gesicht in den tintenfleckigen Händen. Als sie noch ein ganz kleines Mädchen gewesen war, hatte sie geglaubt, niemand sähe sie mehr, wenn auch sie nichts mehr sah. Diese tröstliche Illusion noch einmal zu haben, sei es auch nur für wenige Augenblicke, das sehnte sie jetzt herbei. Einfach zu verschwinden, eine leere Stelle zu hinterlassen in dem unentwirrbaren Knäuel aus Schwierigkeiten, Schuld und Scham, zu dem ihr Leben in so kurzer Zeit geworden war.
Ganz harmlos hatten sich die Anfangsfäden entsponnen. Ein paar Briefe, die zu schreiben Chole sie bat; Höflichkeitsbekundungen an die Oberhäupter der anderen arabischen Familien auf der Insel; Einladungen, Sayyid Barghash doch einmal in seinem neuen Wohnsitz unmittelbar neben Beit il Tani zu besuchen. Salima war
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