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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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sogar ein klein wenig enttäuscht gewesen, dass es für sie nicht mehr zu tun gab, als diese Belanglosigkeiten zu verfassen. Doch schon bald verwoben sich in die blumigen Wendungen, die Barghash ihr diktierte, schärfere Töne. Zusammen mit dem, was die Nachtgestalten der Spitzel berichteten, konnte Salima nach und nach die einzelnen Stücke eines Mosaiks zusammensetzen. Nach wie vor war Majid auf Sansibar sehr beliebt, und doch war seine Herrschaft, sosehr sie auch glänzte, keine goldene. Sein Gesundheitszustand war sichtlich angegriffen. Man fürchtete seinen baldigen Tod, der Unruhen nach sich ziehen könnte. Denn Majid hatte sich zwar wieder vermählt, konnte aber bislang nur eine Tochter vorweisen, keinen männlichenNachkommen. Oftmals mussten seine Minister den unpässlichen Sultan vertreten, und die Mischung aus Willkür, Eigennutz und Habgier, mit der sie dies taten, schuf Majid beinahe täglich neue Feinde. Feinde, die sich daraufhin Barghash zuwandten, der sie mit überschwänglichen Versprechungen von hohen Ämtern, großer Macht und noch größerem Reichtum an sich zu binden wusste. Eine Kluft hatte sich aufgetan auf Sansibar und riss jeden Tag und vor allem jede Nacht ein wenig mehr auf. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Insel endgültig auseinanderbrechen würde.
    Und seit heute, seit Salima eigenhändig die Briefe geschrieben hatte, in denen Gewehre geordert wurden, Schießpulver und Munition, in solchen Mengen, dass es wohl für eine ganze Armee gereicht hätte, ahnte sie, dass diese Bruchstelle mit Blut überspült sein würde.
    Ich habe diese Briefe geschrieben. Briefe, durch die Unschuldige ums Leben kommen werden, Männer, Frauen und Kinder.
    Das Gefühl der Schuld, die sie damit auf sich geladen hatte, drückte Salima nieder. Umso mehr, als sie nicht den Mut aufgebracht hatte, Barghash die Stirn zu bieten und die Feder niederzulegen. Weil Barghashs Zorn flammend sein konnte wie eine Feuersbrunst und jegliche Widerworte zu Rauch und Asche werden ließ.
    Salima begann zu zittern, löste die Hände von ihrem Gesicht und schlang die Arme um ihren Leib, als fürchtete sie, in tausend Stücke gehen zu müssen unter der Wucht ihrer Untat und den drohenden Folgen.
    »Salima!«
    Nur ein Flüstern, aber in seiner herzlichen Dringlichkeit in Salimas Ohren wie ein Kanonenschlag.
    »Sadaf !«
    Sie sprang auf und warf sich in die Arme ihrer Stiefmutter, der leiblichen Schwester von Majids Mutter und wie dieseund Djilfidan von tscherkessischem Blut. Köstliche Momente in einer mütterlichen Umarmung, die Kummer und Elend einfach wegwischte.
    »Geht es dir gut, mein Kind? Lass dich ansehen … Ganz blass bist du! Und schwarz gesprenkelt – warte …« Sadaf benetzte einen Zipfel ihrer schele mit Speichel und begann Salima die Tintenflecke aus dem unmaskierten Gesicht zu reiben. Diese bog sogleich mit einem Auflachen den Kopf zurück. Heute konnte sie darüber lachen, doch früher, als kleines Mädchen, hatte sie zornig um sich geschlagen, wenn ihre Mutter oder eine andere Frau dasselbe bei ihr versucht hatte, weil sie den bittersüßen, klebrigen Geruch auf ihrer Haut hasste.
    »Setz dich doch bitte, Sadaf, ich lasse sogleich Tee holen und …«
    »Nein, Salima.« Ihre Stiefmutter hielt sie am Arm zurück. »Dafür ist keine Zeit.« Sie senkte die Stimme zu einem Raunen. »Majid schickt mich zu dir.« Salimas Atem stockte einen Wimpernschlag lang. »Er weiß um die Umtriebe, die Barghash eingefädelt hat.«
    »Weiß er auch …« Salimas Stimme versagte.
    »Ja, Salima, er weiß, dass du daran beteiligt bist und in welchem Umfang. Er weiß aber auch, dass du ohne böse Absicht in diese Intrigen hineingeraten bist. Aus Liebe zu Chole, von ihr dazu verführt, und aus Angst vor Barghash.«
    Der großmütige Majid – er denkt immer noch so gut über mich.
    Salima wurde glutrot vor Scham über ihre eigene Schlechtigkeit.
    »Er schickt mich, dich zu bitten, dass du dich aus den Plänen Barghashs und Choles heraushältst. Die beiden sind von Grund auf schlecht, und sie werden dir deine Hilfe bei dieser Sache nicht danken. Wer schlecht ist und Schlechtes ersinnt, der wird auch Schlechtes zu erwarten haben. Noch ist es nicht zu spät, noch kannst du umkehren, Salima!«
    »Ich weiß nicht, wie ich da mit heiler Haut wieder herauskommen soll, Sadaf !«
    »Dann mit Schrammen, aber zumindest lebend. Wenn es zum Äußersten kommt – und das wird es ohne jeden Zweifel –, wenn geschossen wird, dann wird Majid keine

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