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Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Titel: Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Haß irgendwann einmal den Lehren des Seneschalls den Boden bereiten würden.
    So manchem Vogelmenschen rannen die Tränen über, die Wangen, als er sich bewußt machte, was sie alles verloren hatten. Aschure ertappte sich verblüfft dabei, wie sie mit ihnen weinte.
    Der Zauberer sang ihnen nun von den Axtkriegen, jenen fürchterlichen Dekaden, als ihre Vorfahren alles verloren. Mit der Axt waren die Bodenläufer auf Wald und Gefieder losgegangen. In der Nacht mußten die Ikarier mit den Awaren fliehen und sich verstecken. Der Kummer raubte ihnen fast die Sinne, und erst hinter den Grenzbergen fanden sie Ruhe.
    Sternenströmer schilderte diese Ereignisse ausführlicher und eindringlicher als die Geschehnisse in den vorangegangenen Strophen. Er beschrieb, was die Vogelmenschen alles verloren hatten, wie sie den Lügen des Seneschalls nichts hatten entgegensetzen können, und wie sie hilflos dem Wüten der Äxte zugesehen hatten, während die Bodenläufer sich in Massen um die Bruderschaft scharten.
    Der Zauberer sang mit betörend schöner Stimme, und doch klang sein Lied so traurig und ergreifend. Man spürte den Tod der Ikarier und ihre Ängste förmlich. Aschure vergoß nun nicht mehr Tränen der Trauer, sondern die der Scham und Schande. Wie hatte ihr Volk nur diese unbeschreiblich schönen und begabten Wesen so grausam verfolgen und aus Tencendor vertreiben können?
    Nun berichtete der Sternenströmer vom neuen Heim der Vogelmenschen, das sie sich in der abgeschiedenen, aber ersehnten Geborgenheit des Krallenturms errichtet hatten. Er beschrieb die Klugheit und Raffinesse, mit der sie ihre Stadt im Berg mit Schönheit und Lebensart gefüllt hatten.
    Dann sang der Zauberer von den vielen Jahrhunderten, die sie hier in Frieden verbracht hatten; von den Geheimnissen, denen sie dabei auf die Spur gekommen waren; und von der unerreicht wunderbaren Sicht auf die Sterne, die sie von der höchsten Spitze des Krallenturms genießen konnten.
    Doch durften die Ikarier darüber nicht vergessen, was alles sie in Tencendor hatten aufgeben müssen. Und so beschwor Sternenströmer die Stätten und Wunder, die sie in der Hand der Ebenenbewohner zurückgelassen hatten. Den Großteil Awarinheims mit seinen zauberischen Lichtungen, nun alle Opfer des Pflugs; die Geheiligten Seen, die nun verkümmerten, weil niemand mehr ihnen seine Liebe schenkte; den magischen Burgen, von denen die meisten geschleift waren, während die verbliebenen von der Hand des Seneschalls befleckt waren; dem rätselhaften Spitzturm, der Insel des Nebels und der Erinnerung, wo die Götter festsaßen, gefangen von schmutzigen und verlausten Piraten; den Neun Hohepriesterinnen vom Orden der Sterne, die gewiß vergewaltigt wurden und dazu gezwungen, die Kinder ihrer Peiniger auszutragen; die Gruft des Mondes, die aufgebrochen wurde und in der jetzt nur noch Finsternis herrschte; die alten Grabhügel, die nun zerfielen, und das verlorene Sternentor …
    Die Ikarier rangen die Hände und stöhnten. Ramu drehte sich verblüfft um, als sogar Aschure stöhnte. Warum weinte sie denn nur? Hatte sie denn die Worte des Sternenströmers verstanden? Der Aware hatte viele Jahre des Studiums benötigt, um die Bedeutung der heiligen Geheimsprache der Ikarier wenigstens halbwegs zu erfassen. Und jetzt weinte diese Ebenenbewohnerin, als seien ihr nicht nur die Worte, sondern auch deren Nuancen verständlich. Kopfschüttelnd sah Ramu wieder zu dem Zauberer hinunter.
    »Und nun ergibt sich für uns die Möglichkeit«, erklärte der Sternenströmer mit normaler Stimme, »das alles zurückzuerhalten.« Er schloß die Augen, faltete die Hände vor der Brust und sang wieder.
    Sein neues Lied drehte sich um die Prophezeiung des Zerstörers. Aber nur die beiden ersten Strophen, denn wie alle wußten, gehörte die dritte allein dem Sternenmann. Aber was war das? Der Sternenströmer hörte nach den beiden ersten nicht auf, sondern intonierte auch noch die dritte. Seine Stimme klang voll und reich an Untertönen, die ihn klingen ließen, als stünde dort ein ganzer Chor. Ramu nahm ergriffen von dieser kunstvollen Darbietung Aschures Hand. Weder der Magier noch die junge Frau hatten von Sternenströmers großer Virtuosität gewußt und ahnten nicht einmal, daß er ihnen hier nur kleine Kostproben seines erstaunlichen Könnens zum besten gab.
    Nachdem der letzte Ton verklungen war, herrschte erst einmal absolute Stille im Saal. Der Zauberer hatte den Vogelmenschen noch eindringlicher als je

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