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Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Titel: Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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waren auch die Zier der goldenen Ketten an ihrem Hals. Jedes einzelne ihrer Haare und Federn war vergoldet oder versilbert, und die Muskeln an ihren nackten Körpern waren in Elfenbeintönen bemalt, um die helle Haut der Ikarier wiederzugeben. Diese von Freude erfüllten Figuren trugen das Kuppeldach, welches mit hochpolierten Bronzespiegeln bedeckt war. Dank der Zaubersprüche, die in ihnen steckten, gaben sie ein goldfarbenes Licht ab, das ausreichte, die gesamte Halle zu beleuchten.
    Die Vogelmenschen betraten den Saal durch Gänge zwischen den ausgebreiteten Steinflügeln der Säulen. Je nach Laune schwebten die Erwachsenen dann sanft auf ihren Platz oder schritten würdevoll nach unten, bis sie einen – möglichst mit einem Kissen – erspäht hatten. An diesem Nachmittag in der ersten Woche des Wolfsmonds, nur wenige Tage vor Neujahr, setzten sich die Ikarier auf die Bänke, ohne jedoch – wie sonst üblich – gleich Neuigkeiten miteinander auszutauschen. Sie wußten, daß heute eine besonders schwerwiegende Entscheidung von ihnen verlangt wurde. Womöglich ging es um Krieg. Ihre Ahnungen schienen sich zu bestätigen, als die Offiziere und Krieger der Luftarmada in voller Montur erschienen. Die Soldaten hatten sich die Ober- und Unterseite der Flügel schwarz bemalt – die Farbe des Krieges.
    Aschure verfolgte das Treiben von einem der Bogentore am oberen Rand der Halle aus. Ramu stand bei ihr. Beide trugen bodenlange Roben, sie eine graue, er eine dunkelgrüne.
    Die Ältesten und Zauberer traten nun ein, die Mitglieder des Herrscherhauses zeigten sich als letzte. Schweigend traten sie durch eine Tür in den unteren Sitzreihen, die allein ihnen vorbehalten war. Rabenhorst und sein Sohn Freierfall erschienen in Violett und Elfenbein. Der Befehlshaber trug dazu eine goldene, edelsteinbesetzte Halskette. Hellefeder, seine Gattin, folgte ihm in einem blaßvioletten Gewand. Hinter ihr kam Morgenstern, die Mutter von Rabenhorst und Sternenströmer. Als letzter trat Sternenströmer selbst durch die Tür. Er hatte zu diesem Anlaß eine dunkelrote Toga gewählt, auf deren Brust eine gleißende goldene Sonne gestickt war. Alle erschienen barfuß.
    Als Mitglied des Hauses Sonnenflieger und als mächtigster Zauberer war es Sternenströmers Aufgabe, die Versammlung offiziell zu eröffnen. Schweigen senkte sich über die Bankreihen, als er in die Mitte des Kreises trat und dort stehenblieb. Sein Blick ruhte kurz auf den Anwesenden, ehe er sich mit gesenkten Lidern und ausgebreiteten Armen und Schwingen vor ihnen verbeugte. Dabei drehte er sich langsam um die eigene Achse, um niemanden bei seiner Begrüßung zu übersehen. Die Federn seiner fast verheilten Flügel schleiften hinter ihm am Boden, und alle konnten die Narben auf seinem Rücken erkennen.
    Aschure atmete vor Überraschung schneller. Eine solche graziöse und höfisch vornehme Verbeugung hatte sie noch niemals zuvor gesehen.
    Als der Zauberer sich wieder aufgerichtet hatte, hob er an zu singen. Zuerst leise, obwohl die Worte auch noch in der obersten Reihe zu verstehen waren, dann anschwellend immer kräftiger und schließlich mit einer Inbrunst, daß die Bronzeplatten an der Decke vibrierten.
    Der Text schien wieder der uralten Sprache zu entstammen, in der ihn Aschure schon einmal singen gehört hatte und die sie auch jetzt wieder gut verstehen konnte. Und mehr noch, die exotische Betonung der einzelnen Worte und ihr Wohlklang ließen ihr Blut in Wallung geraten.
    Sternenströmer sang von den Anfängen der Ikarier; von der Zeit, als die Vogelmenschen die Kunst des Fliegens erlernten, und von dem Tag, an dem sie die Sonne und die Sterne entdeckten. Das Lied kündete von ihrer stolzen Herkunft, davon, wie ihre Fürsten über ganz Tencendor geherrscht hatten, und von den Tänzen und Liedern, wenn sie im Sommer über die magischen Seen und Wälder ihrer alten Heimat geflogen waren. Sternenströmer erinnerte an die Zeit, in der die Ikarier noch von den Eisdachalpen bis zum Meer von Tyrre ungehindert fliegen und sich von den Aufwinden treiben lassen konnten, von der Zeit, in der ihre Kinder den Weg des Flügels erlernten, ohne daß sie vor den tödlichen Pfeilen beschützt werden mußten, die von unten, vom Boden abgeschossen wurden. Und schließlich sang Sternenströmer von ihrem Niedergang, von ihrer Unfähigkeit zu begreifen, daß die Bodenläufer ihre schönen Vettern fürchteten und haßten, und von ihrem Unvermögen zu erkennen, daß diese Furcht und dieser

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