Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
erhalten. Er hatte sich weder jahrelang vorbereitet noch das Studium absolviert, das die ikarischen Zauberlehrlinge über sich ergehen lassen mußten. Was hatten sie und ihr Geliebter da bloß in die Welt gesetzt?
Axis.
Der harte Zug um Goldfeders Mund verlor sich. Welch ungewöhnlicher Name! Aus Achar stammte er sicher nicht. Hatte Jayme ihn ihm gegeben? Wie alle glücklichen Eltern hatten Sternenströmer und sie sich immer neue Namen für ihren Erstgeborenen überlegt. Aber dann waren sie doch nicht mehr dazu gekommen, sich auf einen festzulegen. Jetzt hieß ihr Sohn eben Axis, und dabei würde es wohl auch bleiben müssen. Und irgendwie paßte das ja auch zu ihm.
Goldfeder half Aschure und den beiden Frauen Grindels, die Zelte aufzubauen. Die Tätigkeit lenkte sie ab, denn die baldige Ankunft Sternenströmers versetzte sie in ziemliche Aufregung. Bereits vor drei Wochen hatte sie erfahren, daß ihr totgeglaubter Sohn noch lebte, und doch bisher keine Möglichkeit gefunden, ihrem Geliebten eine Nachricht zukommen zu lassen. So kreisten ihre Gedanken unablässig um Axis und Sternenströmer. Aschure hatte ihr alles berichtet, was sie über den Axtherrn wußte, und das war nicht eben viel. Goldfeder verlangte es dringend, mehr zu erfahren.
Wenn sie nicht so sehr mit ihren eigenen Gedanken und wechselnden Gefühlen beschäftigt gewesen wäre, wäre Goldfeder bestimmt aufgefallen, wie sehr Aschure litt. Genauso wie sie selbst, als sie noch ganz fremd bei den Ikariern war. Alle Völker, sowohl die hochmütigen Ikarier, die mißtrauischen Awaren oder die verblendeten Achariten, empfingen Neuankömmlinge mit Unduldsamkeit oder Überheblichkeit.
Aschure sah sich immer wieder neugierig um, während sie und die anderen Frauen dreißig Schritte tief im Wald, der die Haine umgab, das Lager aufschlugen. Pease und sie waren noch mit dem ersten Zelt beschäftigt. Fleat und Goldfeder richteten bereits das zweite auf. Sobald das Gestänge verankert war, wurden Lederhäute darüber gespannt. Rings herum beschäftigten sich andere awarische Klans mit der gleichen Tätigkeit. Und obgleich die Luft erfüllt war von Aufregung und Erwartung, wurde fast nicht gesprochen. Auch Grindels Frauen verhielten sich recht schweigsam, und sogar die Kinder bewegten sich leise durch das Lager des GeistbaumKlans und halfen ihren Müttern dabei, eine Stelle für das Lagerfeuer herzurichten, um dort das einfache, kalte Abendessen zuzubereiten. Ramu und Barsarbe waren schon vor geraumer Zeit aufgebrochen, um sich mit den anderen Zauberern zu treffen. Und Grindel und Helm hatten sich unmittelbar nach den Ankunft in den Wald zurückgezogen.
Pease bemerkte, daß Aschure sich immer wieder umsah, und lächelte. »Ihr spürt es also auch, nicht wahr?«
Aschure nickte. »Alle sind so merkwürdig still. Eigentlich hätte ich erwartet, daß, na, ich weiß auch nicht. Daß sich überall alte Bekannte begrüßen, sich erzählen, wie es ihnen im letzten Jahr so ergangen ist. So was in der Art. Die einzelnen Klans sehen sich doch nicht so häufig, oder?«
Pease schüttelte den Kopf und saugte an ihrem Daumen, den sie sich beim Festknoten der Zeltplanen an die Stangen eingeklemmt hatte. »Nein, wir kommen zu so vielen nur zu Jultide und Beltide zusammen. Heute abend versammeln wir uns alle im Erdbaumhain, und dort frischen wir dann alte Bekanntschaften auf. Alle Neuigkeiten und Geschichten müssen bis dahin warten.«
Aschure dachte kurz nach und schlug die Augen nieder. »Und dabei wird dann auch über meinen Fall verhandelt, nicht wahr?«
Grindels Gemahlin trat zu ihr und sah sie mit ihren dunkeln Augen freundlich an. »Ach, haltet uns bitte nicht für grob oder unhöflich. Aber versteht auch, daß wir sehr vorsichtig sein müssen. Ihr gehört zu den Achariten, zu dem Volk also, das uns aus unseren Heimstätten vertrieben und die Wälder vernichtet hat, die sich einst über das ganze Land erstreckten …« Pease schwieg für einen Moment, weil sie das Thema nicht unbedingt noch einmal anschneiden wollte. Aber anscheinend hatte Aschure noch nicht so recht begriffen, wie streng die Awaren jeden behandelten, der einen anderen zu Tode gebracht hatte. »Und schließlich habt Ihr eine Gewalttat begangen. Ein Lebewesen zu ermorden, und dann auch noch den eigenen Vater, erfüllt uns mit tiefstem Abscheu. Ja, ich weiß, daß Ihr Schra verteidigen wolltet und sein Tod nur durch einen Unfall zustande kam. Aber hinzu kommt, daß Ihr auch noch den Axtschwinger
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