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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Büsche abgeklopft und ein Stachelschwein mit Entenschnabel aufgescheucht, das seine glasartigen Stacheln mit Rasseln und Klappern gegen ihre Anzüge geschleudert hatte, bevor es hustend davongestürmt war. Über ihren Köpfen spulten sich Schlangen von den »Blättern«, wie fette Maßbänder mit kleinen, klugen Augen, welche die Neulinge vermessen wollten.
    Keine Spur von Hektor.
    In diesem wahnwitzigen Terrain konnte alles überall sein. Nichts war, was es zu sein schien. Blumen summten, Erdreich gurgelte, Stechmücken versprühten silberhelle elektrische Entladungen. Und alles befand sich wegen des trügerischen Lichts am Grund einer Schüssel, deren Rand bis zum Horizont reichte.

    »Mogul hat gar nicht richtig gesucht. Er hat sich das alles angesehen. Er hat immerzu auf Dinge gezeigt und gelacht. Dann lief er zwischen den Bäumen davon, und da haben wir uns aus den Augen verloren.«
    Der eine Ladearm, der noch funktionierte, und die drei überlebenden Drohnen entluden das Schiff. Drapiert mit verdreckter roter Seide und ultramarinblauem Cretonne türmten sich unter triefnassen Farnen Lederkoffer und aluminiumverstärkte Kästen. Das Ganze sah aus wie das Bühnenbild zu einem surrealistischen Ballett. Dazwischen stand die Reisebox mit dem schlafenden Talo.
    Sarah wollte sich nützlich machen, war aber nicht bei der Sache. Ihre Gedanken weilten bei Mogul, ihrer fehlenden Hälfte. Sie stand im Morast und hackte mit einem langen Messer an den Schlingpflanzen herum, in die die Alice sich mit Tragflügeln und Tragwerk verwickelt hatte. Sie unterbrach immer wieder ihre Arbeit und sah wie hypnotisiert zu, wenn ein weiteres Gepäckstück aus dem Frachtraum gehievt wurde.
    »Heul nicht«, sagte Tabea. »Du ruinierst dir noch die Klimaanlage.«
    Sarah tat einen herzzerreißenden Schluchzer, dann schluckte sie kräftig und nahm unter Fluchen wieder ihren halbherzigen Kampf gegen die Schlingpflanzen auf.
    Tabea fluchte lautlos in sich hinein. Sie watete zu ihr hinüber.
    »Geh und such ihn«, sagte sie sanft.
    Sarahs Augen und Nase waren rot, machten ihr knochenbleiches Gesicht ganz hässlich. Sie schüttelte aufgeregt den Kopf und gestikulierte mit der Klinge. »Das hier ist wichtiger.«
    »Wir werden schon damit fertig. Später kannst du helfen.«
    Sarah blickte zaudernd in den dräuenden Wald. Sie sah Tabea an, dann zum Schiff hinauf.
    Tabea sagte: »Nimm das Schießeisen mit.«

    »Ich habe es nicht. Er wird es haben.«
    »Dann nimm wenigstens das Messer mit.«
    Sarah sah unschlüssig auf die Klinge. »Willst du es nicht besser hierbehalten?«
    Tabea klopfte ihr auf die Schulter. »Komm, geh jetzt. Bleib auf Empfang. Melde dich alle fünf Minuten.«
    Sarah biss sich auf die Unterlippe. Sie hob die Hand und legte in einer seltsam zärtlichen Geste den Knöchel ihres Zeigefingers an die Seite von Tabeas Helmfenster. »Ich liebe dich«, sagte sie.
    »Nein, du irrst dich«, entgegnete Tabea rasch. »Geh und hol deinen Bruder. Wir werden bald starten.«
    Ärger flog über Sarahs kummervolle Miene. »Tu nicht so gönnerhaft, Tabea.«
    Betroffen und schuldbewusst sah ihr Tabea in die Augen, dann blickte sie hinunter in die schlammigen Regenaugen.
    Als sie wieder hochsah, schlug Sarah sich bereits in die Büsche.
    Der triefende Tag troff unverdrossen vor sich hin. Regungslos brannte die Sonne durch die schwere Wolkendecke, überall sichtbar und doch unsichtbar. Das heiße, zähe Licht schien durch den Anzug in Tabeas Knochen zu kriechen. Die Insekten, die durch die Bruchlandung vertrieben worden waren, hatten sich rasch von dem Schrecken erholt und waren in Schwärmen zurückgekehrt. Sie machten ein schrilles, zirpendes Geräusch und erzeugten so etwas wie eine unstete Massenaura, die sich störend auf den Funkempfang auswirkte. Wenn Sarah sich meldete, klang sie fern und metallisch.
    Tabea und die Drohnen versuchten, das Schiff aus dem Sumpf zu winden. Tabea gab ein Kommando. Der Backbordflügel schmatzte plötzlich mit einer breiten Matschfontäne aus dem Unterwuchs.
    »Das ist großartig, das ist großartig!«, schrie Tabea, während sie vom Bug zum Heck rannte. »Hier stützen, hier!«

    In einem plötzlichen Anflug von Optimismus rief sie das Ego der Alice . »Hallo! Hallo, Alice! Kannst du mich hören?«
    Die Alice schwieg.
    Mit einem Mal fing es heftiger zu regnen an.
    Die Drohnen verankerten die Kabel an gedrungenen, dicken Bäumen, die fest genug schienen, die Alice zu halten, derweil Tabea unter einem davon saß und

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