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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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leise und aufrichtig. »Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir von hier fortkommen!«
    Tabea Jute nahm den Kopf aus dem Inneren ihres Schiffes. Sie zeigte in den Wald, bis an den Rand der dampfenden Gemüseterrine. »Geh und steh Sarah zur Seite. Sieh zu, dass du Mogul findest. Wenn ihr zurückkommt, gibt es genug zu tun.« Sie war unbeugsam.
    Er ging. Sie sah ihn in dem wuchernden Inferno verschwinden. Minuten später sah sie ihn wieder, einen scharlachroten Anzug,
der sich einen schroffen Hügelkamm hinaufschleppte, zwischen Bäumen, die jeder Beschreibung spotteten, unterwegs zu einem unmöglichen Horizont.

45
    Anderthalb Meter über dem sumpfigen, aufgewühlten Grund hing die Alice Liddell in einem verwirrenden, riesigen Trossenspiel, das zwischen den Bäumen aufgespannt war. Das hatte ein klein wenig länger gebraucht, als Tabea gedacht hatte. Mitten in der Arbeit war ihnen das Trossenmaterial ausgegangen, und sie hatten sich mit kunstharzgebundenen Zöpfen aus Schlingpflanzen behelfen müssen, und bald darauf mit schlichten Schlingpflanzenzöpfen.
    Die Alice war nicht ausbalanciert. Sie hatte deutlich Schlagseite, das äußere Backbordtriebwerk schmatzte im wässrigen Schlamm. Es gab keine Möglichkeit, von unten heranzukommen, um es anzuheben. Eine Hebewinde war bereits in dem Morastbecken verloren gegangen.
    »Wenn ein Stirnrunzeln genügte, um sie abzustellen«, hatte Tabeas Vater immer gesagt, »dann gäbe es keine Probleme mehr.« Sie war es leid, sich den Kopf noch weiter über die Aufhängung zu zerbrechen. Die Alice lag so, wie sie lag, basta. Es gab jetzt Wichtigeres. Sie schickte die Drohnen an Bord, um aufzuräumen und auszubeulen, was auszubeulen war, derweil sie sich damit herumschlug, in den Rundmäulern die ruinierten Leitwinkelgeber für den Protonenstrahl zu überbrücken. Wenn ihr Marco und die Zwillinge nicht im Weg waren, konnte sie sich besser konzentrieren. Und während sie arbeitete, schwatzte sie unablässig auf das schweigende Ego ihres Schiffes ein. Sie schalt und sie tröstete es. Sie erzählte ihm Geschichten.

    Der Regen ließ nach und gerann zu einem weichen, trägen Getröpfel.
    Was immer in den Seitentriebwerken zu Bruch gegangen war, es lag zu tief für ihr Werkzeug. Wahrscheinlich die Matrix-Kompressionsverstärker. Ohne Werkstatt und drei Tage Zeit gab Tabea sich nicht mit Matrix-Kompressionsverstärkern ab. Sie hatte keine Werkstatt. Sie hatte auch keine drei Tage. Sarahs Anzug war modischer Firlefanz, vermutlich auch der ihres Bruders, nicht gemacht für den Aufenthalt in dieser Hölle. Die Anzüge würden so lange nicht standhalten.
    Sarah hatte sich wieder gemeldet. Tabea sprach mit ihr. »Sarah, ist Marco bei dir? Er sucht dich.«
    »Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Sarah. Kaum hörbar, klang sie immer noch verstört.
    Vielleicht war er hinter dem Frasqui her, dachte Tabea. Sollte er tun, was er nicht lassen konnte. Entweder war er rechtzeitig zurück oder nicht. »Halt die Augen offen, damit ihr nicht aneinander vorbeilauft«, sagte sie.
    Tabea saß unter einem riesigen, rosaroten Blumenkohl und ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen. Wenn sie Glück hatte, waren die Verstärker nicht völlig zerstört und die Schernenkovs sprachen noch auf die Gyroskope an. Dann (wenn sie die Alice abschotten konnte und sonst nichts schiefging) bestand eine Chance, von hier fortzukommen. (Sofern die Triebwerke feuerten. Wenn nicht … Aber mal angenommen, sie feuerten, dann hatten sie, theoretisch zumindest, noch eine Chance.)
    Gott, als die Bergen diese Dinger gebaut hatten, hatten sie sie richtig gebaut.
    Da sich der Achsenstabilisierungskristall verabschiedet hatte, blieb ihr allerdings nichts anderes übrig, als die Alice in den bestmöglichen Orbit zu stürzen. Wie lange sie so um den Planeten
herumfallen konnten, das stand in den Sternen. Lange genug, um ein vorbeikommendes Schiff auf sich aufmerksam zu machen? Wahrscheinlich nicht, aber sie hatte keine Wahl. Die einzige Alternative bestand darin, hier sitzen zu bleiben und zu sterben oder sich in den Dschungel zu stürzen und lachend und kreischend darin herumzurennen.
    Sie würden alle sterben.
    Nein.
    Also dann: der Orbit.
    Und zwar der bestmögliche. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge besaß sie nicht einmal einen Computer, der die Startfenster und Kurskorrekturen berechnen konnte. Sollte sie gezwungen sein, sogar die elementare Navigation zu Fuß zu machen, dann brauchte sie die Tabellenwerke. Es

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