Sternenfall: Roman (German Edition)
die Gelegenheit wahr, etwas zu tun, wozu er vorher nicht die Zeit gehabt hatte. Er übergab sich in aller Stille, als die Nachwirkung einsetzte.
Die nächsten zehn Stunden in der überfüllten Kabine gingen ruhig vorbei. Niels Grayson hatte zunehmend Atembeschwerden, worauf ihm seine Frau ein eruhigungsmittel gab, damit er schlafen konnte. Sie blieb an seiner Seite und streichelte seine faltige Stirn.
»Es wäre eine Schande, wenn er Donnerschlags Ankunft verpassen würde«, sagte Amber zu ihr.
Die Frau des Astronomen sah auf und lächelte. »Das würde er mir nie verzeihen. Außerdem müssen wir ihn sowieso aufwecken, um ihn vor dem großen Ereignis wieder in den Anzug zu stecken.«
In regelmäßigen Abständen begaben sich entweder Amber oder Thorpe zu der Sichtluke und bewerteten den Fortschritt, den sie gemacht hatten. Der Container stieg jetzt sehr langsam, da sein Impuls durch den langen Aufstieg im Schwerefeld des Mondes fast aufgebraucht war. Aber sie schienen dennoch in Sicherheit zu sein. Der Mond war nicht mehr länger ein naher Himmelskörper, der sich nur ausschnittweise überblicken ließ. Er war zu einer Kugel geschrumpft, die sich mit einem Blick erfassen ließ. Der Nebel, der das Universum verhüllte, war dichter geworden. Amber machte sich über ihre Beobachtungen Notizen für einen Artikel, den sie zu schreiben beabsichtigte.
Zwischen den Beobachtungen schmiegten sich die beiden Liebenden auf dem vorderen Beschleunigungsnetz aneinander und flüsterten miteinander. Die meiste Zeit über sprachen sie darüber, was sie nach ihrer Rettung tun würden. Keiner erwähnte, dass ihre fortwährenden Funksprüche noch nicht beantwortet worden waren. Ihr später Aufbruch in Verbindung mit ihrer relativ langsamen Geschwindigkeit ließ es als beinahe sicher erscheinen, dass sie im Raum die nächsten Beobachter der bevorstehenden Kollision sein würden. Alle früheren Mutmaßungen über die Zerstörungen, die Donnerschlag anrichten würde, erschienen als kläglich unangemessen. Thorpe dachte daran, dass es immer noch Wissenschaftler gab, die behaupteten, die Gewalt des Zusammenstoßes würde den Mond vernichten und ihn in Millionen von Einzelstücken zerbrechen lassen. Falls sie Recht hatten, würde die Erde eine Ringwelt werden wie der Saturn. Wie groß die Zerstörung auch sein würde, es wäre nicht viel dazu nötig, die sieben Leben in ihrem winzigen Rettungsboot auszulöschen. Ein hochgeschleuderter Trümmerbrocken würde keine Spur von ihnen übriglassen.
Als der Zeitpunkt näherrückte, bereiteten sie sich darauf vor, die Ankunft des Kerns zu beobachten. Wie versprochen, weckte Margaret Grayson ihren Mann und half ihm in seinen Anzug. Niels versuchte, dabei mit keiner Wimper zu zucken, und die anderen taten so, als bemerkten sie nicht, dass es ihm nicht gelang. Als sie alle in Raumanzügen steckten und an die interne Luftversorgung angeschlossen waren, verstauten sie die beiden unteren Netze, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Sie teilten sich in eine Dreier- und eine Vierergruppe auf und versammelten sich vor den beiden Luken, hinter denen Luna zu sehen war. Amber, Thorpe, Jamie Byrant und Allison Nalley drängten sich um die eine Luke, während ein angeschlagener Niels Grayson, seine Frau und Albert Segovia die andere übernahmen.
Thorpe blickte in einem Winkel von ungefähr dreißig Grad zur Verbindungslinie Luna-Sol in den Raum. Da es erst drei Tage her war, dass der Kern den Felsen verschlungen hatte, hoffte er irgendein Anzeichen seiner Annäherung zu sehen. Der Kern war von einer viel dichteren Gaswolke umgeben, und die Stelle, an der der Felsen eingeschlagen war, war mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch weißglühend. Doch er sah nichts. Er wandte sich erneut an Amber.
»Wie lange noch bis zur Kollision?«
Sie sah auf ihr Helmchronometer. »Noch drei Minuten.«
»Überprüfen Sie Ihre Helmpolarisatoren«, ordnete er an.
Jeder von ihnen betätigte mit dem Kinn den Schalter, der ihre Visiere verdunkelte. Aus dem Innern der dunklen Kugel heraus konnte Thorpe kaum die Umrisse des Mondes ausmachen. Er schaltete erneut mit dem Kinn, um die Abdunkelung zu beenden, dann sah er zu, wie ein Helm nach dem andern wieder hell wurde.
»Amber, bitte klär uns über das richtige Verhalten auf.«
Sie nickte im Innern ihres Helms. »Wir verdunkeln eine Minute vor der Kollision. Kneifen Sie fünfzehn Sekunden vorher die Augen so weit zusammen, dass Sie Ihre Helmanzeigen gerade noch erkennen
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