Sternenfaust - 041 - Das Kristallschiff
sich aber noch auf den Beinen halten. Einer der Archäologen war direkt gegen ihn gestoßen und rieb sich jetzt mit schmerzverzerrter Miene seine seitlichen Chitinplatten.
»Entschuldigung«, knurrte er. Aber bevor Kkiku’h dazu kam, etwas zu erwidern, wirbelte das Shuttle wie ein Kreisel um seine Achse. Automatisch schaltete sich die künstliche Schwerkraft ab und hob die bereits wirksame Anziehungskraft des Glasplaneten zumindest im Inneren der Fähre wieder auf.
Das schrille Geräusch der Alarmsirene ertönte. Der laute ratschende Ton der Sirene machte jede weitere Unterhaltung unmöglich. Wie Papierschnippsel flogen die Mantiden im Inneren des Shuttles durcheinander. Jeder versuchte, sich irgendwo festzuhalten. Nur wenigen gelang es. Lediglich die beiden Piloten waren am Cockpit auf so genannten Flugböcken festgeschnallt. Jeder von ihnen kämpfte mit seinen zwei Armpaaren mit den Impulsgebern der Steuerung, während die Füße der sechs Beine in den Schlupfpedalen für die Aggregate steckten. Passagiere und Ladung wurden normalerweise von den künstlichen Grav-Feldern während des Fluges in Position gehalten.
Endlich gelang es einem der Piloten die Sirene abzuschalten. Unter Kontrolle war die Situation deshalb noch lange nicht. Durch die verhältnismäßig dünne Wandung des Shuttles drang ein Furcht erregendes Geräusch ins Innere. Es klang, als stünde die Fähre unter permanentem Beschuss.
»Scherben«, sagte der Archäologe. »Ein Glassturm …«
Kkiku’h nickte und bedauerte gleichzeitig seine Kamera nicht zur Hand zu haben. Dann durchfuhr es ihn eiskalt.
»Die Kamera«, flüsterte er. »Die Ausrüstung, unser Gepäck.«
Alles Material, das sie mit auf den Planeten nahmen, befand sich in einem separaten Bereich der Fähre. Das Aussetzen der künstlichen Schwerkraft dürfte auch dort zumindest für Unordnung gesorgt haben. Der Archäologe nickte.
»Alles was nicht absolut sicher verpackt wurde, dürfte jetzt nur noch Schrott sein …«
Ein unangenehmes Gefühl beschlich Kkiku’h. Am liebsten wäre er auf der Stelle nach hinten gegangen, um nachzusehen. Dann glitt sein Blick über die übrigen Passagiere und erleichtert stellte er fest, dass niemand ernsthaft verletzt zu sein schien und jeder mittlerweile einen sicheren Halteplatz gefunden hatte.
Wieder wurde das Shuttle durchgerüttelt. Also gab er selbst das leichtsinnige Vorhaben auf, es grenzte an Selbstmord in dieser Situation die Schlaufe loszulassen, an der er sich festklammerte.
Wie zur Bestätigung ergriff eine weitere Sturmfront die Fähre und schüttelte sie mit einer Wucht, als wäre sie ein Rußflöckchen oberhalb der Flammen eines Steppenbrandes. Unwillkürlich schrie Kkiku’h auf. Er hörte, dass er damit nicht alleine war. Im nächsten Augenblick trat eine geradezu unheimliche Stille ein. Plötzlich und unvermittelt war es ruhig.
»Das war’s«, knarzte einer der Piloten. Es sollte abgeklärt und unerschütterlich klingen, konnte aber den überstandenen Schrecken nicht übertönen. »Wir sind unterhalb der Sturmfront.«
Nur Minuten später setzte die Fähre auf einer riesigen, weitläufigen, wellig wirkenden Fläche auf. Grüne, gelbe, braune, gelegentlich auch leuchtend rote und blaue Schlieren zogen sich über eine Ebene, die bis zum Horizont reichte und wahrscheinlich dahinter noch endlos weiterging. Nur im Rücken des Shuttles, kaum hundert Meter entfernt, erhob sich ein viele Kilometer hoher und ebenso langer Steilkamm unvermittelt aus der Ebene.
Wie ein schockgefrosteter Brecher, dem ein Böser Gott gesagt hat: bis hierhin und keinen Millimeter weiter! , dachte Kkiku’h, als er das gewaltige Gebirge aus Glas sah, das sich senkrecht in den Himmel erhob. Die Steilwand wirkte so glatt wie ein gigantischer Spiegel.
Doch seine erste Sorge nach der Landung hatte nicht der bizarren Umgebung gegolten, die als Ausgangspunkt für ihre Expedition ausgewählt worden war, sondern dem arg gebeutelten Gepäck, besonders seiner wertvollen Kameraausrüstung. Ein erster kritisch prüfender Blick verschaffte ihm Erleichterung. Die Geräte – und zwar nicht nur seine – schienen die Sturmattacke besser überstanden zu haben, als das Shuttle selbst, das von außen einen nur noch wenig Vertrauen erweckenden Eindruck machte. Faustgroße Beulen und armlange, zugleich handbreite Kratzer durchzogen die Hülle, als hätte eine Schar wütender, mit Stahlkrallen bewehrter Monster versucht, das Schiff zu zerfetzen.
Da die furchtbarsten Stürme
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