Sternenfaust - 052 - Welten-Verwüster
Damit war er auf das Wohlwollen von Verwandten angewiesen. Und arme Verwandte galten dem Adel als nutzlose und peinliche Anhängsel, die man am besten so schnell wie möglich irgendwohin abschob, wo sie außer Sicht waren und nicht in Erscheinung traten.
Dazu kam, dass alle Zweige des Hauses Lovinar, die auf anderen Welten lebten – es waren nur zwei – ohnehin nicht mit Reichtümern gesegnet waren und keiner von Kandos Verwandten daher in der Lage sein würde, ohne erhebliche eigene Einbußen die Flüchtlinge von Otano aufzunehmen. Kandos einzige Option, dieses Schicksal für seine Familie abzuwenden, war eine Verbindung mit einem höheren Adelshaus mit entsprechenden Ressourcen. Und zwar so schnell wie möglich.
Moralisch fand Merlik sein Verhalten mehr als verwerflich und zutiefst abstoßend. Offenbar war er mit dieser Meinung nicht allein. Sifana stürzte auf ihren Vater zu und schrie ihn an.
»Was denkst du dir eigentlich? Kamiana ist noch keine Stunde tot, und du willst mich dem Mann an den Hals werfen, der mit ihr verlobt war! Wie kannst du das tun?«
»Halt den Mund, Sifana!«, fuhr Kando sie wütend an. »Du wirst mir gehorchen! Und wenn der verehrte Talas dich will, wirst du ihn heiraten!«
»Niemals!« fauchte Sifana und schien noch eine Menge mehr sagen zu wollen.
»Wir sind alle«, unterbrach Merlik die beiden scharf, »von Kamianas Tod erschüttert und im Moment nicht ganz Herr unserer selbst. Ich schlage deshalb vor, dass wir jede Diskussion über solche Angelegenheiten auf einen Zeitpunkt verschieben, wenn wir sicher wissen, ob wir überhaupt überleben werden. Alles andere hätte wenig Sinn.«
»Natürlich«, stimmte Kando verlegen zu. »Ich entschuldige mich, falls ich Sie … verärgert haben sollte. Und du wirst dich auch entschuldigen, Sifana.«
Die junge Frau gab nur einen verächtlichen Laut von sich und rannte aus der Höhle.
»Sifana!«, rief Kando ihr wütend nach.
»Ich glaube, sie braucht ein paar Augenblicke für sich allein, um sich wieder zu beruhigen«, sagte Merlik. »Wenn Sie erlauben, werde ich mit ihr reden.«
Kando stimmte sofort zu. »Wenn Sie sie zur Vernunft bringen können, bin ich Ihnen mehr als dankbar.«
»Ich werde mein Möglichstes tun.«
Er nahm eine Lampe und folgte Sifana. Sie hatte sich in einer Nebenhöhle auf den Boden gesetzt und starrte wütend vor sich hin.
»Entladen Sie Ihren Zorn auf Ihren taktlosen Vater auch über mir, wenn ich mich zu Ihnen setze?«, fragte er freundlich.
»Nein. Sie können ja nichts dafür.«
Er nahm neben ihr auf dem Boden Platz. »Versuchen Sie, Ihren Vater zu verstehen. Er handelt nur aus Sorge um Ihrer aller Zukunft.«
»Vor allem um seine eigene«, meinte Sifana respektlos. »Er wollte und will immer noch durch eine Verbindung mit Ihrem Haus in der Hierarchie aufsteigen. Aber wenn Sie mich nicht heiraten, fällt er ganz nach unten.«
»Das Triumvirat wird ihm ein anderes Lehen zuerkennen.«
»Das bezweifle ich. Wir sind nicht so bedeutend. Jedenfalls stehen seine Chancen auf ein neues Lehen siebenmal besser, wenn er mit Ihrem Haus verbunden ist. Das ist sein einziger Beweggrund.«
»Ich stimme Ihnen zu. Aber was ist mit Ihnen, Sifana? Ich kann nach den wenigen Tagen, die ich mit Ihrer Familie verbracht habe, sagen, dass Sie nicht glücklich sind. Der Plan Ihres Vaters, Sie mit mir zu verheiraten, wäre demnach doch für Sie die Möglichkeit, dem zu entfliehen, was Sie unglücklich macht.«
»Vielleicht. Aber Sie wollten nicht mich, Sie wollten Kamiana.«
»Das lag daran, dass ich bis zu unserer Flucht keine Gelegenheit hatte, Sie näher kennenzulernen, Sifana.«
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Wie soll ich das verstehen?«
Merlik atmete einmal tief durch. »Vergessen wir mal für einen Augenblick, dass es wirklich nicht der passende Zeitpunkt ist, um Heiratspläne zu diskutieren. Erlauben Sie mir, vollkommen offen zu sein, Sifana?«
»Bitte.«
»Sie haben mich durch Ihren Mut und Ihre ganze Haltung sehr beeindruckt. Wenn ich Sie zuerst kennen gelernt und erkannt hätte, welcher Geist in Ihnen wohnt, wäre meine Wahl von Anfang an auf Sie gefallen.«
Sifana starrte ihn ungläubig an. »Ist das Ihr Ernst?«
»Ja.«
»Aber ich bin absolut nicht so, wie eine gut erzogene Tochter eines Hohen Hauses sein sollte.«
»Und ich habe nie eine ›gut erzogene Tochter aus Hohem Haus‹ haben wollen, sondern eine eigenständige Frau, die eine eigene Meinung hat und sich nicht scheut, sie auch zu vertreten.
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