Sternenfaust - 053 - Die Morax
mehr mit den Dingen zu tun hat, die sich damals auf Wingat VII zugetragen haben. Oder ist dem so?«
Wanda Ndogo blickte den Kridan mit großen Augen an, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, Sir. Ich bitte meine Laune zu entschuldigen, aber …« Sie hielt inne, schien sich nicht sicher zu sein, ob sie weiterreden sollte. Dann gab sie sich einen Ruck. »Das hat einen gänzlich anderen Grund.«
Der Kridan blickte sie auffordernd an.
Zumindest deutete die Schwarzafrikanerin seine Haltung so. »Nun gut. Ich hatte in meiner letzten Ruhephase einen Traum. Ich weiß, alle Menschen träumen, doch ich gehöre zu denen, die sich daran nach dem Aufwachen nie erinnern können. Dieser jedoch hat sich fest in meinen Kopf gebrannt. Ich fuhr mit einem seltsamen Wagen über eine gewaltige Steppe. Am Horizont konnte ich die Silhouette des Mount Kenya erkennen – ich war also in Afrika, der Heimat meiner Ahnen. Überall um mich herum weideten Rinder.«
Sun-Tarin erinnerte sich, dass Wanda Ndogo ihm erzählt hatte, dass ihr Volk – die Massai – Hirten gewesen waren, die den Glauben besaßen, alle Rinder der ganzen Welt würden ihnen gehören, nur ihnen allein.
»Es waren unzählige Tiere, die dicht an dicht standen. Sie waren alle weiß wie Schnee. Ich fuhr immer weiter, doch plötzlich … da erkannte ich zwischen den Rindern einige schwarze Exemplare, die mir immer näherkamen. Sie kamen von allen Seiten, und dann flogen sie regelrecht auf meinen Wagen zu. Ich hatte Angst, versteckte mich im Inneren des Gefährts. Ich hörte, wie die Schwarzen von außen gegen den Wagen prallten, sich dort festkrallten. Ich geriet in Panik, doch da hörte ich schon die Schläge ihrer Hufe … Plötzlich platzte die Wagenhülle an mehreren Stellen gleichzeitig auf. Ich sah ihre Hufe, die nach mir traten, und ich konnte mich nirgendwo verstecken! Ich habe geschrien – und von meinem eigenen Schrei bin ich endlich aufgewacht.«
Sie massierte sich mit den Fingerspitzen die Stirn, als versuche sie so die Bilder zu verscheuchen, die sie seither verfolgten. Der Kridan ahnte, was in der jungen Frau vorging.
»Böse Träume, Vorahnungen – das alles ist auch meinem Volk nicht fremd. Doch nicht hinter jedem Traumbild steckt eine reale Gefahr. Es war vielleicht nur die Verarbeitung all der Dinge, die in der letzten Zeit geschehen sind. Zu viel würde ich an Ihrer Stelle da nicht hineininterpretieren.« Er gestand sich ein, dem Sergeant gegenüber jetzt nicht ganz ehrlich zu sein, denn wenn ein solches Traumerlebnis eine Einmaligkeit darstellte, dann mochte durchaus etwas an der Sache dran sein. Doch Wanda Ndogo war bereits verunsichert, da musste er nicht noch Öl auf die Flammen ihrer Furcht gießen.
Die Massai stand auf, begann den Tisch abzuräumen, denn das eigentümliche Mahl war offensichtlich beendet. Ihre Bewegungen schienen reine Routine zu sein – Sun-Tarin glaubte, dass ihr Kopf jetzt nicht wusste, was die Hände taten. »Ich weiß es ganz einfach. Es wird etwas Schreckliches geschehen. Schon bald. Sun-Tarin, ich fürchte, wir fliegen in unser Verderben.«
Der Kridan erhob sich nun auch. »Sergeant, in Ihrem Bewusstsein steckt nach wie vor die große Bedrohung, als die sich die Dronte erwiesen haben. Ich denke, Sie können sich von dieser überstandenen Gefahr einfach noch nicht lösen. Wahrscheinlich sind Sie nicht die Einzige an Bord, die von schweren Träumen verfolgt wird. Und was das Ziel unseres Auftrags angeht, so denke ich, dass wir da Captain Frost und ihrem Urteilsvermögen vertrauen sollten. Nicht mehr lange, dann wird die STERNENFAUST II im Zielgebiet ankommen. Dann ist die Wartezeit endlich vorüber, die an den Nerven zehrt.«
Wanda senkte den Blick. »Ich möchte Ihren Worten nur zu gerne glauben, Sir, aber ich war mir noch nie zuvor so sicher: Mein Traum hat mir einen Fetzen der nahen Zukunft gezeigt. Ich kann ihn nur nicht deuten – noch nicht …«
Der Kridan und die Massai saßen anschließend noch für eine kurze Zeit beisammen, doch jeder Versuch, ein anderes Thema in Angriff zu nehmen, misslang schon nach wenigen Sätzen. Irgendwann verabschiedete sich Sun-Tarin von seiner Gastgeberin.
Erst auf dem Gang fiel ihm ein, dass er Sergeant Ndogo nicht einmal gefragt hatte, was er denn da so alles bei ihr gegessen hatte. Er nahm sich vor, das so rasch wie nur möglich nachzuholen, denn einige der Speisen waren wirklich dazu angetan, nicht nur dieses eine Mal gekostet zu werden. Er fühlte sich satt, aber nicht
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