Sternenfaust - 055 - Krieg in der Hohlwelt (1 of 2)
sitzen, sodass sie die Übertragung ihres Gesichts kurz anhalten und loopen konnte. So bekamen ihre Gesprächspartner nicht mit, wie der Ausdruck tiefer Trauer über ihre Miene kroch. Für einige Momente wäre ihr mehr als deutlich anzusehen gewesen, dass sie mit dem Schlimmsten rechnete. So aber sahen William, van Deyk und die anderen ihre unveränderten Gesichtszüge und hörten nur, dass ihre Stimme auf einmal etwas rauer klang als zuvor, während sie sich für die Informationen bedankte und das Gespräch beendete.
Es war Mutawesi, der die düstere Stimmung, die sich in dem Besprechungszimmer plötzlich breitgemacht hatte, zu durchbrechen suchte.
»Etwas Besseres kann dem Star Corps überhaupt nicht passieren«, sagte er, »als dass Rudenko Vorsitzender des Hohen Rates wird. Auf meine Stimme kann er zählen!« Er warf einen forschenden Blick in die Runde. Doch er brachte die Diskussion nicht erneut in Gang.
»Ich finde, ein Soldat hat in der Politik nichts verloren«, knurrte van Deyk knapp. »Aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung.«
*
Sie hatten Glück. Die Schaschellon-Patrouille machte zu viel Lärm, als dass ihr das Geraschel hoch über deren Köpfen auffiel. Doch der eigentliche Glücksfall bestand in einer atemberaubenden Entdeckung, die Kanturiol machte, als er immer höher in den Wipfel des Baumes stieg. Odira wollte sofort wieder zurück auf den vermeintlich sicheren Boden klettern, als die Patrouille wieder im Unterholz verschwunden war, blieb dann aber auf der schwankenden Astgabel hocken, um auf Kanturiols Rückkehr zu warten.
Sie schmollte und ärgerte sich, war aber ehrlich genug, sich einzugestehen, dass sie – wenn sie ihm nicht gefolgt wäre – inzwischen wieder von Schaschellons Soldaten gefangen genommen worden wäre. Im günstigsten Fall. Vielleicht hätten sie diesmal aber auch nicht lange gefackelt und sie sofort umgebracht. Im Grunde müsste sie Kanturiol dankbar sein. Vielleicht war das der eigentliche Grund ihrer Verärgerung. Seit sie ihn eingefangen hatte – was entfernte sich dieser Bursche auch unerlaubt von der Truppe? –, war sie vom Pech verfolgt gewesen. Zuerst hatte er sie überwunden. Dann war sie in demütigender Weise seine Gefangene gewesen. Schließlich waren sie gemeinsam in die Krallen des Feindes gefallen. Und zu unguter Letzt war ihr Ausbruch aus dem Lager der Schaschellon-Krieger seine Idee gewesen und nicht ihre. Jeder Punkt für sich genommen war mehr als ausreichend, eine Fürstentochter dauerhaft zu verärgern. Alle zusammen ließen sich kaum noch ertragen. Da kam ihr das Gefühl, dass sie ihm eigentlich dankbar sein müsste, nur noch als ärgerliche Dreingabe vor.
Nein, diesem Gefühl würde sie widerstehen können.
Gut, er hatte ihr unmissverständlich klargemacht, dass er sie nicht mehr als Gefangene betrachtete. Sie könnte ihrer Wege gehen und versuchen, auf schnellstem Weg zu ihrem Vater zurückzukehren. Das wäre sogar das Vernünftigste, das einzig Gebotene gewesen. Schließlich musste ihn jemand über Fürst Schaschellons massive Truppenkonzentration informieren. Wenn ihr Vater, ohne über die Pläne des verhassten Nachbarn Bescheid zu wissen, die Truppen in Gang setzte, um seine Pläne bezüglich des Tempels und der heiligen Affen zu verwirklichen, dann war eine Katastrophe vorbestimmt, die vielen das Leben, die Freiheit und die Gesundheit kosten würde.
Andererseits hatte sie gerade eben erst wieder gesehen, dass es nicht so einfach sein würde zurückzukehren. Erst recht nicht allein. Die Gefahr, erneut einer Patrouille Schaschellons in die Hände zu fallen, war groß. Dann würde sie niemanden mehr warnen können. Im Gegenteil, falls man sie am Leben ließ, würde man sie früher oder später als das erkennen, was sie war. Eher früher als später und in diesem Moment hätte sich die jüngste Tochter Fürst Malachenkos in die wertvollste Waffe des Feindes verwandelt. Eine Metamorphose, die sie unbedingt verhindern musste.
Lieber sterben , dachte sie, als das …
Eine Möglichkeit begann sich in ihrem Kopf abzuzeichnen und je länger sie darüber nachdachte, desto mehr begriff sie, dass das ihre einzige Chance sein würde.
Zusammen mit Kanturiol wäre es leichter möglich, zu den Truppen ihres Vaters zurückzukehren. Doch das war ausgeschlossen. Längst hatte sie die Hoffnung aufgegeben, ihn dazu überreden zu können. Welche Garantien konnte sie ihm schon bieten. Sicher, sie würde sich – anders als er es vermutete
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