Sternenfaust - 059 - Verloren im Nirgendwo
übervollen Blase nachgab, erinnerte er sich an die selbstverständliche Tatsache, dass noch weitere Behälter im Inneren des Anzugs vorhanden waren. Solche, die regelmäßig entleert werden mussten. Es gab für den Fall längerer Außeneinsätze die Möglichkeit Urin und Kot auch in luftleerer Umgebung zu entsorgen. Bisher hatte Winston diesen Vorgang, sich seiner Exkremente im Vakuum zu entledigen, nur einmal im Verlauf einer Übung geprobt, die viele Jahre zurücklag. Als er sich über die Ärmeltastatur den Füllstand dieser Behälter anzeigen ließ, wurde ihm klar, dass er schon bald die Gelegenheit bekommen würde, sein rudimentäres Wissen über diesen Vorgang unter harten Praxisbedingungen aufzufrischen …
*
»Sun-Tarin«, murmelte Bruder William.
Milton Lexington III. starrte den Christophorer entgeistert an. Dann riss er seinen Blick von dem glatten, jungenhaft-jugendlich wirkenden Gesicht Williams los und fixierte die anderen am Tisch. Bei Jefferson wusste man nie, ob er einen ansah oder nicht. Die Facetten-Augen verrieten selbst denjenigen, die sich einbildeten, ihn gut zu kennen, nie, was sich gerade im Innern des Leitenden Ingenieurs abspielte. Rana Quaid wiederum hatte ihr berühmt-berüchtigtes Pokerface aufgesetzt, das sie immer dann zur Schau stellte, wenn sie sich darum bemühte, jeden fragenden Blick wirkungslos an sich abprallen zu lassen.
Gelegentlich hatten sie in den vergangenen Wochen schon mal eine Runde miteinander gespielt, sodass Lexington genau wusste: Von der erfahre ich nichts.
»War es dieser … dieser … verflixt mir liegt der Name auf der Zunge … dieser Jägerpilot mit seiner ach so witzigen Vogelphobie?«, zischte er.
Rana sah ihn ausdruckslos an. Jefferson zuckte mit den Schultern und Bruder William biss sich auf die Unterlippe.
»Es gibt an Bord der STERNENFAUST noch mehr Leute, die eine ausgeprägte Abneigung gegen Kridan pflegen. Dazu braucht es keinen Tick wie bei Titus Wredan«, sagte Jefferson schließlich gepresst.
»Was genau ist passiert?« Erneutes Schulterzucken.
»Doc Gardikov hatte sich noch nicht richtig hingesetzt, da erhielt sie die Meldung«, sagte Rana. »Irgendjemand hat ihn gefunden und sie sofort alarmiert …«
»Ist er …« Lexington stockte. Er wagte nicht auszusprechen, was er fragen wollte. Die Ungeheuerlichkeit des Vorgangs versetzte ihn innerlich in einen Zustand der Lähmung.
»Wo?«, stammelte er weiter und wusste zugleich, dass er auch auf diese hilflose Frage von seinen Freunden keine Antwort erhoffen durfte.
Unglaublich! , schoss es ihm durch den Kopf. Das kann äußerst böse Konsequenzen haben … Die Möglichkeit ernster diplomatischer Verwicklungen, die das zerbrechliche Verhältnis zwischen den Solaren Welten und dem kridanischen Imperium zu belasten drohten, zeichneten sich wie ein hyperrealistisches Gemälde vor seinem inneren Auge ab.
Ich kann hier nicht untätig sitzen bleiben …
Er sprang von seinem Stuhl hoch.
»Ich glaube, das wird heute nichts mehr mit einem geselligen Zusammensein«, murmelte er. Auch William, Jefferson und Rana schoben ihre Stühle zurück. »Behalten Sie Platz«, sagte er förmlich. »Und bitte entschuldigen Sie mich …«
Mit ähnlich forschen Schritten wie wenige Minuten zuvor Dr. Gardikov eilte er aus der Offiziersmesse, rumpelte fast gegen das sich nicht schnell genug öffnende Schott der Kantine und rannte dann den Gang hinunter. Die Krankenstation lag zwei Decks über ihm.
»Es tut mir leid, Captain. Ich halte hier auch nur notdürftig die Stellung«, sagte der junge Mann im grün-weiß gestreiften Kittel. »Jeden Moment kann mich Dr. Gardikov in den OP rufen. Sie hat gesagt, ich solle mich bereithalten, falls sie noch Hilfe braucht.«
Der Aushilfspfleger schien eben erst in seine Arbeitskleidung geschlüpft zu sein, denn nur die untersten Knöpfe waren zugeknöpft, sodass ein Stück vom linken Kragen über die Brusttasche des Kittels hing. Dummerweise verdeckte es das dort befestigte Namensschildchen. Noch immer kannte Lexington nicht von jedem Mitglied der Mannschaft den Namen.
Er nickte nachdenklich. Keiner wusste, was vorgefallen war und so lange sich die Ärztin und ihre Helfer mit dem Schädeltrauma des bewusstlosen Patienten befassten, bestand auch keine Aussicht, mehr zu erfahren.
Vielleicht ist Sun-Tarin schon tot , dachte er. Doch augenblicklich korrigierte er sich: In diesem Fall würde sich Dr. Gardikov nicht im Operationssaal verbarrikadieren.
»So lange sie
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