Sternenfaust - 070 - Der Renegat
Pflichten und Aufgaben entbunden war. Dass darauf eine ausgesucht schmerzhafte Bestrafung erfolgte, verstand sich von selbst. Und L38.C-A53/ war sich nicht sicher, ob es vorgesehen war, dass er die überlebte. Oder – noch schlimmer – man würde ihn erst schmerzhaft bestrafen und danach unehrenhaft hinrichten.
In jedem Fall hatte er durch seine Handlung in der Zentrale alles verspielt, was er bisher in seinem Leben erreicht hatte.
L38.C-A53/ begab sich in sein Quartier, um seine Situation zu überdenken und seine nächsten Schritte zu planen. Er wurde vom Eintreten des Dieners K12.U-N91/ unterbrochen, der sich mit allen äußeren Anzeichen von Empörung, aber auch Genugtuung vor ihm aufbaute.
»Sie sind ein Renegat, L38.C-A53/«, warf er ihm vor. »Ein Abtrünniger der schlimmsten Sorte. Ich weiß zwar nicht, was Kommandant A11.Z-B61/ für Sie vorgesehen hat, aber ich werde ihm bei der Entscheidungsfindung für Ihre Bestrafung überaus gern behilflich sein.«
L38.C-A53/ gab sich gelassener als er in Wirklichkeit war. »Sie?«, höhnte er. »Und wie wollen Sie das wohl tun? Glauben Sie im Ernst, ein Kommandant und Meister im Rang eines A11 .Z-B61/ wartet nur darauf, dass ein Diener ihm bei irgendeiner Entscheidungsfindung hilft? Erst recht wenn es sich dabei um eine Sache handelt, die nur die Meister betrifft.«
K12.U-N91/ trat unbeeindruckt dicht an ihn heran. »Er wird mir zuhören und das mit dem größten Interesse, wenn ich ihm sage, was ich bei Ihnen beobachtet habe. Sie behandeln die Diener, als seien sie den Meistern gleichgestellt, wann immer Sie glauben, dass es niemand bemerkt. Und Sie hegen verbotene Gefühle .«
L38.C-A53/ brachte es fertig, vollkommen ruhig zu bleiben. »Dafür haben Sie keine Beweise«, stellte er fest und hoffte, dass dem tatsächlich so war. »A11.Z-B61/ wird kaum auf haltlose Anschuldigungen hören. Allerdings wird er, genau wie ich, erkennen, dass diese Verleumdung nur Ihrem Bestreben gilt, eine schmerzhafte Bestrafung zu erhalten. Vielleicht ist es sogar ein Versuch von Ihnen, im Rang aufzusteigen.«
»Den Beweis haben Sie selbst schon längst geliefert«, höhnte der Diener. »Sogar vor unzähligen Zeugen. Ihr Versagen bei der Zeremonie des Großen Endes haben alle gesehen. Und nicht nur ich mache mir seitdem Gedanken über Sie.«
»Das Missgeschick bei der Zeremonie war ein Versehen«, verteidigte sich L38.C-A53/. »Jeder weiß das.«
»Sie haben zweifellos versucht, es jeden glauben zu machen«, korrigierte K12.U-N91/. »Aber was jeder weiß , ist, dass Sie das Große Ende Ihres Dieners absichtlich sabotiert haben. Zusammen mit meinen Beobachtungen wird das Ihr eigenes Ende beschließen. Ein recht unrühmliches und ehrloses Ende, wie ich bemerken darf.«
»Sie dürfen nicht!«, fuhr L38.C-A53/ den Diener an. »Sie entfernen sich auf der Stelle aus meiner Gegenwart. Und kehren Sie nicht zurück. Ich nehme einen anderen Diener, einen, der weiß, wo sein Platz ist und der sich entsprechend seiner Stellung verhält. Sagen Sie das A11.Z-B61/ als Erstes, bevor Sie ihm Ihre Lügen erzählen.«
K12.U-N91/ würdigte ihn keiner Antwort. Er drehte sich um und strebte der Tür zu. L38.C-A53/ wusste, dass sein Leben verwirkt war, wenn er ihn gehen ließ. In seinem Gehirn jagten sich die Gedanken, und sein analytischer Verstand, der sonst stets einwandfrei mit glasklarer Logik arbeitete, setzte für einen verhängnisvollen Moment aus.
Ehe der Diener die Tür erreicht hatte, war L38.C-A53/ bei ihm, packte ihn von hinten und brach ihm mit einem einzigen kräftigen Ruck das Genick. Erst als K12.U-N91/ tot vor ihm lag, kam er wieder zu sich. Er starrte benommen auf die Leiche, und ein unkontrolliertes Zittern erfasste seinen Körper. Er hatte etwas Unaussprechliches getan, etwas, das die Gesetze und erst recht die Moralbegriffe der Brax zutiefst verurteilten. Er hatte ein Leben vorzeitig beendet, ohne dass es sich dabei um eine angeordnete Exekution oder die Zeremonie des Großen Endes gehandelt hätte. Hatte er sein Leben schon vorher als verwirkt betrachtet, so war es das nun erst recht.
Die einzige Möglichkeit, wenigstens noch seine Würde zu wahren, bestand darin, sich dem Strafkomitee zu stellen und sich dessen Urteil zu unterwerfen, das natürlich auf unehrenhaften Tod lauten musste und würde. Doch L38.C-A53/ wollte leben! Nur war das an Bord von Schiff 89.973.V nicht mehr möglich. Und auch auf keinem anderen Schiff. Ebenso wenig auf seinem Heimatplaneten oder irgendeinem
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