Sternenfaust - 070 - Der Renegat
anderen Ort, an dem Brax lebten. K12.U-N91/ hatte ihn als Renegaten bezeichnet. Durch den Mord an dem Diener war er das nun tatsächlich geworden.
Er konnte nicht länger an Bord bleiben. Doch die Alternative erschreckte ihn über alle Maßen. Ein Brax, der von seinem Volk getrennt wurde, war verloren, denn allein auf sich gestellt konnte keiner überleben. Nicht einmal, wenn er ein voll ausgerüstetes Schiff mit genug Lebensmitteln besessen hätte, ihn bis ans Ende seiner natürlichen Lebensspanne zu ernähren. Ohne die Gemeinschaft verkümmerte er, siechte dahin und starb allein. Für die Brax war das eine noch schlimmere Vorstellung, als einen schnellen Tod zu erleiden.
Aber es gab irgendwo dort draußen in der unendlichen Weite des Alls die Zuflucht . Es musste sie geben. L38.C-A53/ klammerte sich an diese Möglichkeit, da sie die einzige Hoffnung war, die ihm noch blieb. Wenn er leben wollte, musste er das Schiff verlassen und sie finden. Schiff 89.973.V verfügte über Beiboote, die für Nahbereichserkundungen eingesetzt wurden. Ihre Reichweite war nicht groß, aber sie würde mehr als ausreichen, um bis zu den Fremden zu gelangen, die sich zwischen die Brax und die Station der Snioranku gestellt hatten.
Er hegte keinen Zweifel daran, dass sie ihn aufnehmen würden. Schließlich war er ebenso wie sie dagegen, die Station zu vernichten. Und wenn er ihnen anbot, sein Wissen mit ihnen zu teilen, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie ablehnen würden ihm zu helfen. Im schlimmsten Fall würden sie ihn töten. Doch das Schicksal erwartete ihn auch bei seinen eigenen Leuten. Er hatte also nichts zu verlieren.
L38.C-A53/ hob den Körper des toten Dieners vom Boden auf und legte ihn in sein eigenes Bett in einer Haltung, als würde er schlafen. Er drapierte die Schlafdecke so über seinen Kopf, dass man sein Gesicht nicht erkennen konnte, wenn man von oben auf ihn herabsah. Wer immer ihn so liegen sah, musste glauben, dass L38.C-A53/ selbst dort lag und schlief. Das verschaffte ihm etwas Zeit.
Er verließ das Quartier und hatte Glück, dass er in unmittelbarer Nähe niemandem begegnete, der das Quartier mit ihm teilte. Mit gemessenen Schritten, als befände er sich auf dem ganz normalen Weg zu irgendeiner Arbeit, ging er zu den Hangars, in denen die Beiboote standen, die jedes Schiff von der Bauart der 89.973.V an Bord hatte. Das Glück blieb ihm auch treu, bis er die Innenschleuse des Hangars erreichte. Er hatte gerade den Öffnungsmechanismus betätigt, als er von hinten angesprochen wurde.
»Was tun Sie da?«
L38.C-A53/ zuckte unwillkürlich zusammen und wandte sich langsam um. Hinter ihm stand ein Diener, dessen Kennzeichnung ihm nicht geläufig war. Den Werkzeugen nach zu urteilen, die er in der Hand hielt, war er mit Wartungsaufgaben betraut worden.
»Ich habe bei meiner letzten Benutzung von Beiboot …«, L38.C-A53/ schielte nach der Kennung des nächstgelegenen Bootes, »… 238.446.Z17 etwas darin liegen gelassen, das ich dringend benötige. Ich werde es holen, und danach können Sie mit Ihren Wartungsarbeiten beginnen.«
Er registrierte auf den ersten Blick, dass der Diener ihm kein Wort glaubte. »Meister, die letzte Benutzung des Beibootes 238.446.Z17 wurde von Meister B66.P-K22/ vorgenommen und liegt 18 Zyklen zurück.«
L38.C-A53/ gab sich verwirrt. »Da habe ich wohl die Kennung verwechselt. Am besten ich sehe in allen Booten nach, dann werde ich das Gesuchte schon finden.«
Der Diener gab ein verärgertes Knurren von sich. »Meister L38.C-A53/, ich bin nicht nur für die Wartung der Beiboote zuständig, sondern auch für die Registratur aller, die sie benutzen. Und ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass Sie noch nie eins der Boote benutzt haben, seit ich vor langer Zeit an Bord kam. Sie können also gar nichts in einem von ihnen vergessen haben. Ich werde den Kommandanten informieren.«
L38.C-A53/ machte einen wütenden Schritt auf ihn zu. »Sie erdreisten sich, das Wort eines Meisters anzuzweifeln?«, herrschte er ihn an. »Sie wollen offensichtlich bestraft werden. Legen Sie Ihr Werkzeug beiseite und melden Sie sich in Strafkammer 5. Ich werde dem Bestrafer dort bescheid geben. Gehen Sie!«
»Jawohl, Meister – nachdem ich den Kommandanten informiert habe.«
Er wandte sich dem neben dem Schleusenschott installierten Interkom zu, und L38.C-A53/ sah sich gezwungen zu handeln. Er packte den Diener von hinten. Doch der schien entweder mit einem solchen Manöver gerechnet oder die
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