Sternenfaust - 087 - Amnesie
Raum der Pfleger?«, kam sie auf das vorangegangene Gesprächsthema zurück.
»Nichts weiter. Ich habe keine verdächtigen Utensilien gefunden, wie Spritzen, Medikamente, mit Totenköpfen versehene Behälter oder so etwas.«
Die Botschafterin lachte auf und schlug sich auf den Schenkel, der unter ihrem tunikaartigen Gewand sekundenlang in Schwingungen geriet. »Sowas hätte ich dort auch nicht erwartet. Ein Fremder, der so was hier einfach platzieren könnte, käme sowieso nicht in Frage. Schließlich kommt man hier nicht so einfach rein und raus.«
Moll spielte auf die Kontrollanlagen an, die man beim Betreten dieser gesondert abgetrennten Station durchlaufen musste. Stimmerkennungsmuster, Atem-Screening und Bio-Scan: Far Horizon hatte sämtliche Geschütze aufgefahren.
»Allerdings«, fuhr die dunkelhäutige Frau fort, »habe ich dort auch einen Schrank gefunden, der einem Aktenschrank nicht unähnlich war, und den man mit einem gesonderten Schloss gesichert hatte. Ich nehme an, das darin die Krankenakten aufbewahrt werden.«
Jefica Moll hatte sich auf ihr Bett gesetzt und massierte nachdenklich ihr Doppelkinn mit einer Hand. »Es sollte interessant sein, sich diese Akten einmal anzusehen«, schlug sie vor.
»Das dachte ich mir auch«, antwortete Ndogo und zog sich einen Stuhl heran. »Ich habe vor, heute Nacht, wenn die Nachtschwester gerade mal nicht da ist, einen Blick in den Schrank zu riskieren. Zufällig kann ich mit dem dortigen konventionellen Schloss ganz gut fertig werden. Mit einem solchen Schloss sind auch die Getränke-Automaten der STERNENFAUST gesichert, und wenn ich mal einen der entsprechenden Schlüssel verloren hatte, dann …«
»Ich verstehe.« Moll grinste verschmitzt. »Ich könnte mir gut vorstellen, dass mich heute Nacht irgendwann der Durst plagt. Und es könnte gut sein, dass ich mir dann von der Nachtschwester eine Flasche Wasser holen lassen. Aus dem Lager! Außerhalb unserer Station. Schließlich habe ich so meine Ansprüche!« Dabei schaute sie von rechts nach links und ließ ihren Blick über ihr Sammelsurium von Kunstgegenständen schweifen.
»Ich werde den Augenblick zu nutzen wissen«, versprach Wanda. »Danach wissen wir vielleicht mehr!«
*
Sie sollten sich irren.
Als Wanda nachts in den kurzzeitig verwaisten Aufenthaltsraum schlich und die Krankenakten in dem leicht zu knackenden Schrank entdeckt und durchgesehen hatte, waren ihr keinerlei Ungereimtheiten, spezielle Verordnungen von Medikamenten oder Ähnlichem, aufgefallen. Die Befunde der drei Rekonvaleszenten waren identisch: der Giftstoff, den ihnen Diaz in einer Kapsel verabreicht und per Fernzünder freigesetzt hatte.
Auch Silbersdorffs handschriftlich eingefügte und schwer entzifferbare Zusätze schienen nichts Verdächtiges aufzuweisen. Selbst die Bücher über die Medikamentenvergabe, die die Pfleger neben ihrem Chef oft selbst übernahmen, wiesen keine Ungereimtheiten auf.
Hier kamen sie also nicht weiter.
Bevor die Nachtschwester von Molls Auftrag, ihr ihr spezielles Mineralwasser zu besorgen, zurück war, hatte Wanda Ndogo wieder alles in seinen Ursprungszustand zurückversetzt.
Dumpf brütend war sie in ihren Büro-Schlafraum gegangen. Morgen früh, kurz nach dem Frühstück, wollte sie sich das nächste Mal mit Moll treffen und besprechen.
Sie würde wieder einmal keine neuen Erkenntnisse vorweisen können.
*
Sol-System, im freien Raum zwischen Venus und Merkur
An Bord der AMSTERDAM betraten Valentina Duchamp und Peter Pahl die Zentrale des Sondereinsatzkreuzers.
Captain Michael Tong wandte sich den beiden entgegen. Der Kreuzer hatte das heimatliche Solare System soeben wieder erreicht und war auf Höhe der Venusbahn aus dem Bergstromraum gekommen.
»Auf ein Wort«, sprach ihn Valentina an. »Captain, Agent Pahl braucht ihren Captain’s Room.«
Michael Tong schluckte sichtbar. Eine Zumutung , durchfuhr es seinen Kopf. Was an dieser Mission läuft eigentlich so, wie ich mir mein erstes Kommando an Bord eines SEKs vorgestellt habe? Zuerst nur Statist. Nun werde ich fast entmündigt und aus meinem ureigensten Reich vertrieben.
»Aber natürlich«, versuchte der Asiat sich seinen Missmut nicht anmerken zu lassen.
»Ich weiß Ihr Entgegenkommen sehr zu schätzen, Mister Tong, ehrlich« schaltete sich Peter Pahl ein. Es klang ehrlich, doch irgendwie tröstete Tong das nicht. Einem Captain fällt es immer schwer, das Kommando abzugeben, auch wenn es wie in diesem Fall nur ein
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