Sternenfaust - 103 - Das Heiligtum
Heiligtum herum war eine blühende Oase exotischer Pflanzen und Bäume …
… und dann war das Bild auch schon wieder verschwunden. Das Licht des hellen Sterns blendete Emma Kalani, und sie kniff für einen Moment die Augen zusammen. Als sie sie wieder öffnete, waren die Gebäude und die Menschen, die sie gesehen hatte, verschwunden. Sowohl auf dem Ortungsschirm wie auch in der Realansicht hatte sich absolut nichts daran verändert. Emma konnte nicht verhindern, dass ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Sie merkte, dass sie leicht zitterte, und das hatte nichts mit der Temperatur im Jäger zu tun, die angenehme zwanzig Grad betrug.
Was war das nur immer, dass die Ruinen in diesem Teil des Weltraums so seltsame Eindrücke bei ihr hinterließen?
Sie warf einen Blick zu Morton Jackville, doch ihr Co-Pilot saß nur konzentriert da, beobachtete seine Instrumente und erweckte nicht den Eindruck, als hätte er etwas Ungewöhnliches gesehen.
»Ist deine Kursänderung Absicht, oder bist du nicht ganz bei der Sache?«, fragte er sie, und Emma bemerkte erst jetzt, dass sie vom Kurs abgekommen war, da sie den Jäger manuell steuerte.
Sie brachte ihn rasch wieder auf seine ursprüngliche Bahn und öffnete schon den Mund, um Morton zu sagen, was sie gesehen, beobachtet, wahrgenommen hatte – und schwieg. Bei näherer Betrachtung war es keine so gute Idee, ihm oder irgendjemand anderem von diesem … diesem Aussetzer zu erzählen oder was immer es war.
Nein, es war kein ›Aussetzer‹ , beruhigte sie sich selbst. Ich habe etwas gesehen, und es war kein Hirngespinst. Aber wieso? Und nein – ich werde mich diesmal nicht auf der Krankenstation melden!
Sie zuckte zusammen, als die Stimme von John Santos aus dem Kom-Lautsprecher erklang.
»Darf ich fragen, Lieutenant Kalani, was diese Unregelmäßigkeit in Ihrer Flugbahn zu bedeuten hat? Sie haben einen Schlenker gemacht wie eine blutige Anfängerin, die ihren Jäger noch nicht im Griff hat.«
»Verzeihung, Sir!«, antwortete sie automatisch und bemerkte, dass ihre Stimme belegt klang. »Ich kann mir das auch nicht erklären und checke gerade die Systeme«, nahm sie zu der erstbesten Ausrede Zuflucht, die ihr einfiel. »Ich denke, der Jäger sollte unbedingt gewartet werden, sobald wir wieder an Bord sind, Sir.«
»In der Tat!«, bestätigte Santos grimmig. »Nach den Kapriolen, die Sie vorhin mit ihm veranstaltet haben, halte ich das dringend für notwendig. Und gnade Ihnen Gott, wenn Commander Black Fox an ihm einen Fehler findet, den Sie verursacht haben.«
Emma antwortete nicht, und Jackville schaltete die ständige Verbindung zur STERNENFAUST vorübergehend auf stumm.
»Was ist los, Emma?«, fragte er, und in seiner Stimme schwang ein Unterton von Besorgnis mit.
»Nichts, Morton«, antwortete sie betont fröhlich. »Mich hat wohl nur die Sonne ein wenig geblendet.«
Jackville musterte sie noch eine Weile stumm und zuckte mit den Schultern, als sie beharrlich schwieg. »Wie du willst. Ist ja dein Arsch, den Santos an die Wand nagelt. Ich reiße mich nicht unbedingt darum, dich zu decken, wenn ich nicht weiß, was eigentlich los war. Aber wenn du meinen Rat hören willst …«
»Nein.«
»Dann eben nicht. Aber was immer den ›Schlenker‹ verursacht hat, eine Fehlfunktion war es definitiv nicht. Und die Sonne hat dich auch nicht geblendet.«
Emma sagte nichts dazu, doch in ihrem Innern verspürte sie ein höchst unangenehmes Gefühl von Kälte.
*
Es fühlte die Erschütterungen dort, wo keine hätten sein dürfen. Doch da es sich in einem Zustand der Ruhe befand, maß es dem keine besondere Bedeutung bei. Erst als sie sich wiederholten, wurde es aufmerksam und kam langsam aus seinem ewigen Dämmerzustand heraus. Und das wiederum führte schließlich dazu, dass es seine Lebensfunktionen zu stimulieren begann.
Eigentlich waren solche Erschütterungen nichts Ungewöhnliches an diesem Ort, der schon immer von ihnen heimgesucht wurde. Doch diese waren anders. Ganz anders. Und sie passten zu keinem ihm bekannten Muster. Sie waren etwas Neues, und das weckte seine Neugier.
Hätte es ein Gefühl für Zeit besessen, so hätte es wohl festgestellt, dass Jahrtausende vergangen waren, seit das letzte Neue sich ereignet hatte. In jedem Fall war es so lange her, dass es sich nicht mehr daran erinnern konnte, was es gewesen, war. Doch Neues bedeutete Veränderung, bedeutete unter Umständen Gefahr und durfte deshalb nicht ignoriert werden. Es aktivierte
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