Sternenfaust - 103 - Das Heiligtum
schüttelte er den Kopf.
»Da offensichtlich keiner von uns ein auf die richtige Frequenz eingestelltes Gehirn hat« – Halova musste über seine Formulierung schmunzeln – »bleibt Ihnen, meine Liebe, gar nichts anderes übrig, als auf herkömmlichem Weg zu versuchen, die Inschriften zu entschlüsseln.«
»Ich hatte befürchtet, dass Sie das sagen, Doktor«, antwortete sie seufzend. »Aber es wird eine Weile dauern, bis ich einen Zugang zu diesen Schriftzeichen gefunden habe.«
»Sie schaffen das schon«, war Winterstein überzeugt.
Und wenn nicht, stehe ich als unfähige Amateurin da , dachte Halova düster. Wissen die Leute denn nicht, wie sehr sie einen unter Druck setzen, wenn sie einen mit dieser Überzeugung »Sie schaffen das schon« belasten?
Und sie ahnte nicht, dass sogar Dana Frost vor einiger Zeit genau zu demselben Schluss gekommen war. Seufzend machte sie sich an die Arbeit.
*
Ein Welle kollektiven Unbehagens lief durch die Seinen. Jeder spürte sie, und es dauerte nicht lange, bis sich ein leises Gefühl von Angst mit hineinmischte.
Eine Störung!
Dieser Gedanke stach klar aus dem Chor der Stimmen heraus.
Es ist Eranaar auf Zash’tuun, erfolgte gleich darauf die Feststellung.
Droht ihm Gefahr?
Der Chor änderte seine Stimmlage zu Besorgnis.
Es ist noch nicht lange her, seit es die letzte Störung auf Zash’tuun gab, die die Unsrigen unmittelbar danach behoben haben. Es kann also kaum sein, dass sie aufgrund der fälligen turnusmäßigen Erneuerung aufgetreten ist.
Nein, es ist eine Störung von außen. Andere haben Eranaar betreten, und ihre Anwesenheit stört seine Morphogenese.
Eine neue Gefühlswelle durchlief das Volk, die beinahe schon an Schock grenzte.
Die Unsrigen müssen eingreifen, waren sich viele Stimmen des Chores einig. Wenn verloren geht, was dort zur Ruhe liegt, ist der Schaden für die Unsrigen immens.
Der Chor überschlug sich für einige Zeit mit aufgeregten Kommentaren und Fragen, auf die niemand eine Antwort wusste, bis schließlich die Stimmen immer zahlreicher wurden, die nach Turanor verlangten, dem Weisesten unter ihnen.
*
Die Weite bedeutete Stille, bedeutete Abgeschiedenheit und genau die ungestörte Einsamkeit, die notwendig war, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und sich weiterzuentwickeln. Aber nur die Stärksten hielten ihre Stille aus, in der die Stimmen des Chores unhörbar waren oder doch nur als weit entfernte Echos hereindrangen. Für jedes Mitglied der Gemeinschaft, die nur aus offenen Kontakten bestand und bei denen jeder die Seinen in jedem einzelnen Augenblick spüren und hören konnte, war es bedrohlich, wenn die Stimmen des ewigen Chores auf einmal schwiegen.
Doch ohne dieses Schweigen und die Konzentration nach innen war es unmöglich, mit der Großen Stimme in Kontakt zu treten.
Turanor befand sich schon seit längerer Zeit in der Weite, fernab von den Seinen. Er hatte während dieser Zeit schon oft einen Chor nach ihm rufen gehört, ihn aber immer ignoriert, weil er gespürt hatte, dass die Seinen ihn eigentlich nicht brauchten und ohne ihn die Antworten fanden, die sie von ihm begehrten. Doch als er sie dieses Mal rufen hörte, war es anders. Diesmal riefen zu viele nach ihm, und der Tonfall ihres Chores war von zunehmender Furcht geprägt.
Turanor überlegte dennoch sorgfältig, ob er ihrem Ruf folgen sollte. Er hatte gehofft, noch sehr viel länger an diesem Ort der Abgeschiedenheit verbringen zu können, um am Ende das Eine Ziel zu erreichen, das zu jenen Sphären führte, die nur wenige jemals erreichten. Aber die Rufe wurden immer dringender, und so gesellte er sich schließlich ein wenig widerstrebend wieder zu den Seinen.
Der Chor berichtete ihm augenblicklich, was geschehen war, und Turanor fühlte jetzt auch selbst die Störung im Eranaar von Zash’tuun. Aber er spürte noch mehr.
Es sind die anderen, die schon einmal dort waren.
Verblüffung. Aber wir hatten sie doch gebeten, uns in Frieden zu lassen und nicht zurückzukehren.
Sie haben diese Bitte ignoriert oder vergessen. Turanor verspürte einen Anflug von Unbehagen darüber, dass die Fremden sich über den ausdrücklichen Wunsch der Seinen, in Ruhe gelassen zu werden, hinweggesetzt hatten. Er wäre versucht gewesen, das Eindringen der Fremden zu ignorieren, doch er sah ein, dass die Seinen keine andere Möglichkeit besaßen, als regulierend einzugreifen, wollten sie nicht riskieren, dass es zu einer Katastrophe kam.
Die Unseren müssen nach
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