Sternenfaust - 107 - Spion auf Ganymed
verstehen: Polieren Sie das Schiff innen und außen auf Hochglanz, denn natürlich werden Kameradrohnen von nahezu jedem Sender in den Solaren Welten um den Raisa herumschwirren und das ganze Geschehen in jeder Sekunde aufzeichnen. Die Presse ist da unerbittlich. Immerhin ist es das erste Mal in der Geschichte der Solaren Welten – und meines Wissens auch in der der Kridan – dass ein Raisa persönlich ein fremdes Volk besucht.«
Taglieri vergaß schlagartig seine Langeweile und starrte Gernet perplex an. »Wie bitte?«, entfuhr es ihm in diesem Moment wenig geistreich. »Das ist doch nicht Ihr Ernst! Ich muss Ihnen ja wohl nicht erklären, was für eine – pardon – unkluge Idee es ist, den Kridan unseren Prototyp zu zeigen. Mal ganz abgesehen davon, dass es ohnehin von deren Seite Proteste gegeben hat, weil wir darin die Technik der Toten Götter verwendet haben.«
Gernet nickte nachdrücklich. »Und genau darum geht es. Der Raisa ist bald erwachsen, nach meinen Informationen in ein oder zwei Jahren. Dann hat er das alleinige Sagen im Kridanischen Imperium. Wie ich es verstanden habe, will er sich persönlich ein Bild davon machen, ob wir durch unsere Verwendung der ›verbotenen Technik‹ wirklich die Schwarzen Männer seiner Kindheits-Albträume sind – oder was immer die kridanische Entsprechung dafür sein mag. Von seinem Eindruck hängt es ab, ob die Kridan uns, sobald er an der Macht ist, wieder als Feinde gegenüberstehen oder sich unser Verhältnis zu einander verbessert.«
Taglieri schüttelte missbilligend den Kopf. »Und was ist mit der Geheimhaltung? Ich halte es allein schon deshalb für unverantwortlich, eine Abordnung von Kridan auf die STERNENFAUST zu lassen, damit sie dort unsere neuesten technischen Errungenschaften unter die Lupe nehmen können. Ganz zu schweigen von der Überwachung durch die Kameras der Presse. Jedes andere Schiff kann sich der Raisa meinetwegen gern ansehen, aber nicht die STERNENFAUST.«
Suzanne Gernet beugte sich vor und blickte ihm eindringlich in die dunklen Augen. »Aber er hat sich nun mal in den Kopf gesetzt, dieses und kein anderes Schiff besichtigen zu wollen. Es dürfte einen gehörigen diplomatischen Zwischenfall verursachen, wenn wir ihm diesen Wunsch abschlagen. Nebenbei: mit welcher Begründung sollten wir das tun? Die STERNENFAUST ist nun mal eine Art Flaggschiff der Solaren Welten, das beste, was wir derzeit haben, und wenn wir uns weigern, dieses Schiff voller Stolz zu präsentieren, werden die Kridan erst recht misstrauisch werden und sicherlich auch der junge Raisa die Einflüsterungen unserer Gegner in seinem Volk bestätigt sehen.«
Taglieri schwieg. Die Sache schmeckte ihm absolut nicht, und Gernet sah ihm das wohl an.
»Sie waren damals bei Trident dabei, Taglieri. Ich muss Sie ja wohl nicht daran erinnern, dass die Solaren Welten die Schlacht damals nur ›gewinnen‹ konnten, weil sich die Kridan zurückgezogen haben, da ihr alter Raisa überraschend gestorben war. Und machen wir uns doch bitte diesbezüglich keine Illusionen: Obwohl wir inzwischen über die Wandlertechnik und ein paar exquisite Waffensystem verfügen, sind die Kridan immer noch in der Lage, uns gewaltige Schwierigkeiten zu bereiten und wahrscheinlich sogar zu besiegen.«
»Übertreiben Sie da nicht ein bisschen?«, wandte Taglieri in einem leicht gönnerhaften Tonfall ein. »Die Kridan haben bei ihrer herben Niederlage bei Konors Stern fast Dreiviertel ihrer gesamten Flotte verloren. Allein zahlenmäßig dürften sie uns unterlegen sein.«
Suzanne Gernet musterte ihn mit einem Blick, der Taglieri unwillkürlich die Zornesröte ins Gesicht trieb, denn er drückte unzweifelhaft aus, dass sie ihn in diesem Moment für einen Idioten hielt. »Sie haben dabei nur eins außer Acht gelassen«, stellte sie ruhig fest. »Die Kridan hatten im Gegensatz zu uns danach keine weiteren Verluste durch Scharmützel mit Morax und Dronte. Und wir haben bis jetzt nur eine einzige STERNENFAUST. Die meisten Schiffe unserer Flotte sind immer noch technisch auf dem Stand von vor fünfzehn Jahren, weil uns einfach die Zeit fehlte, sie alle auf die neuen Standards umzurüsten beziehungsweise neue Schiffe zu bauen. Und deshalb ist das Allerletzte, was wir uns leisten können, ein neuer Krieg mit den Kridan, ja nicht einmal eine Abkühlung unserer derzeitigen Beziehungen zu ihnen.«
So ungern Taglieri das auch zugab, aber Gernet hatte recht. Er erinnerte sich noch gut an jene verhängnisvolle
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