Sternenfaust - 107 - Spion auf Ganymed
mir das tiefe und wertvolle Einblicke in ihr Wesen und ihre Lebensweise gegeben hat, die ich nicht missen möchte, sehe ich heute diese Zeit doch mit anderen Augen als damals.«
Wanda seufzte tief. »Soll ich das so verstehen, dass Sie nicht kommen wollen? Sun-Tarin, ich brauche Sie. Und«, sie zögerte kurz, »ich möchte Sie um unserer alten Freundschaft willen bitten, dass Sie die Delegation begleiten.«
»Ich werde es mir überlegen«, war seine knappe Antwort.
Die Massai lächelte, obwohl ihr nicht danach zumute war. »Dafür danke ich Ihnen, Sun-Tarin. Ich werde also Ihre Entscheidung abwarten.«
Der Kridan neigte zustimmend den Kopf und sagte nichts weiter, obwohl Wanda noch einen Augenblick darauf wartete. Schließlich machte sie die unter Kridan gebräuchliche Abschiedsgeste, die er erwiderte und unterbrach die Verbindung. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihre diplomatischen Fähigkeiten, auf die man im IDC so stolz war, ausgerechnet bei Sun-Tarin wirkungslos verpufft waren. Doch sie versuchte sich damit zu trösten, dass ihr Anruf im Kloster für Sun-Tarin sicherlich viel zu überraschend gekommen war, als dass er sofort eine Entscheidung hatte treffen können. Sicherlich brauchte er nur einige Zeit, um sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, wieder in die Welt hinauszugehen. Allerdings hatte sie die wage Vermutung, dass er sich dennoch entschied, lieber zu bleiben, wo er war. Und in dem Fall würde sie notgedrungen ohne ihn zurechtkommen müssen. Doch diese Aussicht gefiel ihr ganz und gar nicht.
*
STERNENFAUST, Raumhafen Ganymed
Dana Frost betrat das Labor neben der Krankenstation auf der STERNENFAUST, weil sie Ashkono Tregarde dort vermutete. Sie musste unbedingt einen gewissen Frust ablassen, dessen Ursache mal wieder Taglieri war.
Das wird langsam zur Gewohnheit , dachte sie missmutig. Aber nein, es liegt nicht daran, dass ich die Macht auf der Brücke nicht zu teilen bereit bin; zumindest nicht ausschließlich. Es liegt an Taglieri. Der Mann mag seine Qualitäten haben – ich frage mich allerdings welche –, aber in gewissen Bereichen ist er einfach nur ein bornierter Sturkopf.
Sie fand Tregarde wie erwartet im Labor. Er hockte dort tief über einer Petrischale gebeugt und war so vertieft in seine Betrachtung, dass er Frosts Eintreten zunächst gar nicht bemerkte. Sie wollte schon eine entsprechende Bemerkung machen, als sie sah, was er da in der Schale hatte: silbern schimmernden Sand. Frost traute ihren Augen nicht.
»Was macht denn der Sand hier, Doktor Tregarde?«
Die förmliche Anrede zeigte dem Arzt, dass Dana offensichtlich nicht damit einverstanden war, den Sand an Bord zu haben.
»Im Moment macht er gar nichts, Dana«, antwortete er dennoch in seiner üblichen spöttischen Art. »Und ich sorge dafür, dass das auch so bleibt, denn ich habe nicht vor, ihn wieder einzusperren, da ihm das offensichtlich nicht gefallen hat.«
»Wie bitte?« Frost musterte den Arzt, als wäre er nicht mehr ganz zurechnungsfähig, eine Überlegung, die sie in diesem Moment zumindest in Erwägung zog. Es war völlig verantwortungslos, den Sand, der möglicherweise die Explosion verursacht hatte, an Bord der STERNENFAUST zu untersuchen, ohne die geringsten Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
»Doktor Tregarde«, Frosts Stimme klang eisig und machte ihrem Spitznamen »Eisbiest« wieder einmal alle Ehre, »ich werde es unter keinen Umständen dulden, dass Sie die Sicherheit des Schiffes gefährden. Haben Sie mich verstanden?«
»Natürlich, Captain.« Auch Tregarde wechselte jetzt zur förmlichen Anrede. »Doch ich versichere Ihnen, dass ich nichts tun werde, was das Schiff auch nur im Geringsten gefährden könnte. So gut sollten Sie mich eigentlich kennen«, fügte er mit einem pikierten Unterton hinzu. »Dieser Sand – es ist übrigens der Rest, den ich in dem zerstörten Labor noch finden konnte, nachdem man mich endlich mal hinein gelassen hat – ist zum einen eine viel zu geringe Menge, um Schaden anrichten zu können. Zum anderen habe ich, wie ich schon sagte, nicht vor, ihn wieder einzusperren, denn ich bin überzeugt, dass sein Gefangensein in einem Energiefeld die Explosion ausgelöst hat.«
Er sah es Frosts Gesicht an, dass sie an dieser Theorie ziemliche Zweifel hatte. Bevor sie etwas sagen konnte, fuhr er fort. »Sehen Sie die Sache doch einmal von dieser Seite, Dana. Wir sind uns ja wohl einig, dass der Sand gar kein Sand im herkömmlichen Sinne ist und
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