Sternenfaust - 111 - Die Stimmen der Götter
die starke Kara-Tan starb und wurde auf dem Leta-Schild zurückgebracht. Sie hatte zwei Söhne, die ihr in kürzester Zeit in den Tod folgten, wie Küken das zu tun pflegen, wenn ihre Mutter nicht mehr ist. Da verzweifelte der Erste Raisa und sprach: Lange genug haben unsere Wabai bewiesen, dass sie stark sind und kämpfen können! Lange genug starben viele unserer Küken, da sie die Wärme der Mutter missen mussten! Wenige sind wir geworden, viele wollen wir sein, um Gottes großes Werk zu vollbringen! Fortan werden die Eierlegerinnen nicht mehr in die Schlacht ziehen! Sie sollen bei ihrem Gelege bleiben und verehrt werden als die Mütter unseres größten Schatzes. Niemals sollen sie Waffen führen, es sei denn, es ist zur Verteidigung ihrer selbst. Gott wünscht nicht Tod und Grausamkeit unter ihnen, denn er selbst sprach zu mir: »Hütet und schützt jene, die euch Nachwuchs schenken, seid gut und weise im Umgang mit ihnen, denn ohne ihre Hilfe könnt ihr nicht meinen Auftrag ausführen und seid verloren.«
Die Sonne senkte sich hinter die Bergspitzen. Es war an der Zeit, das rituelle Bad zu nehmen. Saha-Fera hatte so lange wie möglich versucht, nicht darüber nachzudenken, doch jetzt kroch Angst in ihr hoch und packte sie wie eine kalte Hand am Genick. Der schwarze See lag im Farbenspiel der untergehenden Sonne wie ein Gemälde der Alten vor ihr, ein Gedicht von Harmonien in Orange, Violettschwarz und Dunkelgrün. Der friedliche Schein war trügerisch. Auf dem Grund des Tümpels lebten seit vielen Jahrhunderten die Damiri – kleine Gründler, groß wie Gengos, die drei scharfe spitze Zahnreihen hatten und sich üblicherweise von geflügelten Schlangen, Jari-Insekten und Flossenkugeln ernährten. Da sie in einem derart kargen Umfeld lebten, hatten sie immer Hunger. Manchmal fraßen sie einander, um zu überleben. Doch am liebsten fraßen sie größere Tiere, die sich an ihre Tümpel verirrten und zu erschöpft waren, um sich gegen die kleineren Geschöpfe zu wehren. Es war wichtig, den Damiri zu zeigen, dass man stark und wehrhaft war und sich ein Angriff nicht lohnte.
Saha-Fera kletterte von ihrem Felsenblock und griff nach dem langen geschwungenen Stab, den sie quer durch das Gebirge getragen hatte, und der ihr bei so manchem Abstieg gute Dienste geleistet hatte. Ohne diesen Stab wäre an vielen Stellen gar nichts gegangen.
Sie dachte an das vertraute Gesicht der Schwester. Kiri-Tan war Wächterin und eine großartige Kämpferin. Sie hatte Saha-Fera einige Techniken gezeigt, die sie mit dem gut anderthalb Schritt langen Stock ausführen konnte.
Also los! Saha-Fera war die erste, die entschlossen in das lauwarme Wasser schritt. Sie sah noch einmal zu Sonne und Mond auf – die Sonne versank eben, der Augenblick war günstig gewählt, gemäß der heiligen Schriften Diarias – dann watete sie mit trampelnden Schritten ins schwarze Nass. Dabei machte sie so viel Lärm wie möglich, um auf die Damiri einen wehrhaften und keineswegs lethargischen Eindruck zu machen.
Schon nach wenigen Vorwärtsbewegungen fühlte sie weiche, schleimige Körper, die sich an ihre Beine drückten. Glitschige lange Barteln glitten über ihr Fleisch, doch noch griff keiner der Damiri sie an. Die Kridan ließ ihren Stab durch das Wasser sausen, dass schwarze Tröpfchen nach allen Seiten spritzten. Hinter sich hörte sie ihre Ordens-Schwestern, die ebenfalls in das Wasser wateten. Inzwischen waren alle vier angekommen.
Hara-Wan stieß einen spitzen Schrei aus. Vermutlich spürte auch sie die schleimigen Leiber im Wasser, denn nach Schmerzen hatte ihr Schrei nicht geklungen.
Heilige Diaria , begann Saha-Fera im Geiste zu beten. Erhöre mich! Ich bin Deinen Weg gegangen, um Dich besser zu verstehen und Dir näher zu kommen. Du erfuhrest die Erleuchtung in diesem Tümpel. Schenke auch mir einen Teil deiner Weisheit, damit ich meine Novizenzeit beenden und zu einer wahren Priesterin des Einen Gottes werden kann. Heilige Diaria, nimm mich an!
In diesem Moment schlugen die Damiri zu! Saha-Fera schrie schmerzerfüllt auf und stürzte der Länge nach ins Wasser. Mehrere Damiri hatten sich in ihrer Wade verbissen und einer der Fischähnlichen bohrte seine scharfen Zähne in ihrem Bauch. Die Novizin schlug nach ihm. Ihr Kopf war unter dem Wasserspiegel. Im trüben Licht sah sie Hunderte der Wesen in dem nicht einmal fünfzig Schritt breiten Gewässer! Niemals hatte sie gehört, dass es so viele von ihnen geben sollte!
Sie schlug mit
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