Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Titel: Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymous
Vom Netzwerk:
schon hatte er diese Lektion vor sich her geschoben und sich vor ihr gedrückt, so gut es ging. Seine Freunde, die in den Nestern auf den anderen Bäumen wohnten, hatten meist schon erste Erkundungsflüge von mehreren Minuten gemacht. Kara-Zorel von nebenan hatte es sogar bereits ganz allein bis zum Waldrand und zurück geschafft, zumindest behauptete sie das. Einzig er, einzig unser kleiner Kal-El, fürchtete sich vor der Erfahrung. Wann immer er zu Boden blickte, sah er nur einen tiefen Abgrund. Ihm fehlten die Sicherheit und der Glaube, tatsächlich fliegen zu können.
    Und er tat gut daran, an dieser Fähigkeit zu zweifeln. Denn, weißt du, Kal-El war kein normales Vogelwesen. Seinen kleinen Flügeln fehlte die Kraft, sich aufwinde zu legen und durch die Lüfte zu tragen. Er wusste nicht, wie man die Flügel gleichmäßig bewegte und dafür sorgte, dass man im Flug nicht einfach abstürzte. Die Macht, die alle Objekte zum Erdboden zieht, heißt Schwerkraft, und ihr vertraute Kal-El weit mehr als seinem eigenen Talent.
    Doch sein Vater ließ nicht locker. »Zu oft schon haben wir dies aufgeschoben. Es kann nicht angehen, dass mein eigener Sohn die einfachste Tätigkeit von allen nicht beherrscht! Morgen beginnen wir mit deiner Ausbildung, Kal-El, und diesmal will ich keinen Protest mehr hören. Ich habe gesprochen und nichts, was du dagegen sagst, wird meinen Entschluss ändern.«
    Oh, Kal-El grämte sich sehr. Er schluchzte in seinen Schnabel hinein und rupfte sich vor lauter Sorge ein paar Federn aus. Da kam Kara-Zorel des Weges, hüpfte auf den Ast, auf welchem Kal-El einsam und in trübe Gedanken versunken gesessen hatte, und stupste ihn vorsichtig an. »Warum weinst du denn?«, fragte die Freundin verwundert, und als Kal-El ihr schilderte, worum er sich sorgte, öffnete Kara-Zorel den Schnabel und ließ ein Lachen hören, das die Eicheln von den Ästen schüttelte und zu Boden rieseln ließ. Danach sah sie ihn ungläubig an. »Davor hast du Angst? Das ist doch Kükenkram, jeder kann das.«
    »Ja, aber ich nicht«, protestierte Kal-El. »Glaube mir, ich kann das nicht. Schon wenn ich nur nach unten schaue, wird mir ganz klamm im Gefieder.«
    »Ach was, das ist doch nur Schnabelgeklapper! Lass mich gerade in meinem Nest Bescheid sagen, dann komme ich zurück und wir üben ein wenig. Du wirst schon sehen, wie schnell du das lernst. Bald schon wird es dir vorkommen, als hättest du nie etwas anderes gemacht als zu fliegen.«
    Kal-El mochte Kara-Zorel sehr und vertraute ihr, dennoch konnte er seine Sorge nicht ganz abschütteln. Der Gedanke, in der Luft zu schweben, mit nichts als dem Wind unter seinen Krallenfüßen, erschien ihm unwirklich und gefährlich. Mit einem Mal wünschte er sich weit, weit weg.
    Kurze Zeit später kehrte Kara-Zorel auf seinen Ast zurück. Sie hatte eine dunkle Feder im Schnabel, die aussah, als sei sie schon sehr alt. Vorsichtig legte sie die Feder auf dem Ast ab und setzte ihren Krallenfuß darauf, damit der Wind sie nicht davon wehte. »Das ist eine Zauberfeder«, erklärte sie dem staunenden kleinen Kridan daraufhin. »Mit ihr habe ich auch das Fliegen gelernt. Nimm sie einfach in den Schnabel und denke ganz fest an sie, dann kann dir gar nichts passieren.«
    Kal-El schluckte. Er zitterte vor Aufregung, beugte sich vor und hob die Feder mit seinem Schnabel hoch. »Umd hezz die Hühel aubreihen?«, fragte er dann.
    »Ganz genau«, antwortete die Freundin lachend. »Breite einfach die Flügel aus und bewege sie gleichmäßig auf und ab. Dann kommt der Rest von ganz allein. Und vergiss nicht: Mit der Zauberfeder kann dir gar nichts passieren.«
    Auszug aus dem Buch »Flieg, Kridan, Flieg – Sagen aus Matlanor« Hrsg. von Dr. Henry Huffman. Writer Publishing, New York. Erstmals erschienen im Jahr 2235.
     
    *
     
    Es war so still wie in einem Grab, und genauso dunkel. William Beaufort träumte, und in seinem Traum hielt er den Atem an, reglos vor Schreck. Er war wieder hier, wieder zu dem Ort zurückgekehrt, an dem es begonnen hatte. Oder an dem es endete, je nachdem.
    Körperlos schwebte er durchs All. Die Schwärze vor seinen Augen war so dicht, dass er sie mit Händen hätte greifen können, schwer und undurchdringlich. Nichts anderes war da, nur diese alles umfassende Dunkelheit – und in ihrem Kern ein Objekt, das nicht hierher zu passen schien, ein Fremdkörper in der Düsternis.
    Ein Raumschiff.
    Die STERNENFAUST II, Sondereinsatzkreuzer des Star Corps und einstmals sein

Weitere Kostenlose Bücher