Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes
etwas (JEMAND) daran festhielt. Etwas, das ihn nicht gehen lassen wollte. Das Gefühl war gleichzeitig heiß und kalt. Ein Zerren und Reißen setzte ein, als habe man Williams Fuß in eine Schraubzwinge gesteckt. Es brannte höllisch! Nach und nach wurde der Mönch nach hinten gezogen, sofern es in dieser Schwärze so etwas wie hinten gab, und nichts, was er tat, konnte daran etwas ändern.
Denn wie kämpfte man ohne Körper? Wie kämpfte man gegen einen Gegner, den man nicht sah? Den es noch nicht einmal gab?
William öffnete den Mund, den er nicht hatte, und schrie.
*
Als er dieses Mal erwachte, war er schweißgebadet und von oben bis unten mit Dreck und Staub bedeckt. Blut schimmerte auf seiner Stirn, halb angetrocknet und verkrustet. Vorsichtig, als wolle er die Stabilität seiner geschundenen Knochen erst austesten, bewegte William den Kopf, um sich das Ausmaß der Verletzungen anzusehen, und blickte an sich hinab. Die leichte Kleidung, die er für seine Wanderung angezogen hatte, starrte vor Schmutz und war an mehreren Stellen zerfetzt, unter den Rissen zeigten sich blutige Stellen, die ein dumpfes Gefühl des Schmerzes abstrahlten. Alles tat ihm weh, vom lädierten Schädel angefangen, den ganzen Körper hinunter bis zu den Beinen. Alles war wund, zumindest fühlte es sich so an.
Dann sah er seinen Fuß.
Es war der rechte, jener, den der Traum-Mauritio in Williams Ohnmachtsfantasie ergriffen und nahezu zerquetscht hatte. Nur, dass dies hier keine Ohnmacht mehr war. Sondern bittere, erschreckende Realität.
Für ein paar Sekunden glaubte William seinen Augen nicht. Ihm war, als wolle sein Verstand ihm einen weiteren Streich spielen. Als hätten die Albträume, unter denen er litt, nun auch einen Weg in seinen Wachzustand gefunden und lauerten ihm dort auf. Denn der Fuß sah aus, als hätte jemand ihn mutwillig gebrochen.
Vom Knöchel ausgehend stand er in einem unnatürlich wirkenden Winkel ab, sonderbar verdreht und fast so, als sei er nicht länger Teil des Körpers, zu dem er doch eigentlich gehörte. Und nun, da sich William des Fußes bewusst geworden war, spürte er plötzlich auch den Schmerz. Stechende Schübe aus Hitze und einem unangenehmen Kribbeln, die vom Knöchel ausgehend seinen gesamten Unterschenkel hinauf krochen. Der Fuß selbst fühlte sich eingezwängt und derart angeschwollen an, als wolle er den stabilen und eng anliegenden Kletterschuh, in dem er steckte, von innen heraus auseinanderreißen.
Großer Gott, wie lange bin ich weg gewesen? , dachte William und schluckte einen Fluch hinunter. Vorsichtig die Arme bewegend, tastete er nach seinem Gesicht, wo die Atemmaske noch immer sicher auf Mund und Nase saß, und von dort zum Sauerstoffbehälter, um dessen Anzeige zu prüfen. 24 bequeme Stunden waren es gewesen, als er zuletzt nachgesehen hatte, damals mehr als genug für die Reststrecke nach Hillarytown, aber nun …?
Mit zitternden, nahezu tauben Fingern wischte er den Sand und den Staub vom Display, dann stockte ihm abermals der Atem. Sechs Stunden verblieben ihm noch. Sechs Stunden, danach war sein Sauerstoff aufgebraucht.
Ich muss hier weg. Schnell.
Aber würde das gehen? Konnte er den Fuß und den Rest seines geschundenen Körpers überhaupt noch derart stark belasten? Der Christophorer blickte sich um und besah sich die schroffen und steilen Wände des kleinen Kraters unterhalb der Gipfelgrate, in den er gefallen war. Sie ragten etwa neun Meter in die Höhe und boten, so glaubte er im diffusen Licht zu erkennen, nur wenige Gelegenheiten für einen Kletterer. Erst recht für einen mit einem gebrochenen Fuß.
Mühsam und mit zusammengebissenen Zähnen richtete sich William auf, wobei er mehrfach vor Pein zusammenzuckte und sich tunlichst bemühte, das rechte Bein nicht über Gebühr zu strapazieren. Dann begann er den Aufstieg.
Für etwa fünf Minuten.
William war kaum einen Meter hoch gekommen, als seine Finger den Halt verloren und ein Feuer der Agonie durch sein rechtes Bein schoss. Für einen Moment sah er Sterne vor Augen, ging jeglicher Orientierung verlustig und rutschte die Strecke, die er schon hinter sich gebracht hatte, wieder zurück.
Keuchend und frustriert blieb William am Kraterboden liegen, bis die Übelkeit nachgelassen hatte und sein Atem wieder halbwegs normal ging, dann versuchte er es erneut. Und ein drittes, ein viertes Mal. Immer wieder gelang es ihm nicht, auch nur bis zur Hälfte der Kraterwand vorzustoßen. Und immer wieder belohnte ihn
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